Eine Unterschrift – das war es

„Die grünen hier sind bereits angeschlossen.“ Markus Mann klickt auf dem Bildschirm vor sich auf verschiedenfarbige Flächen in einer von der zuständigen Kommunalverwaltung im Internet zur Verfügung gestellten digitalen Karte. Sie zeigt den Schweizer Ort Anzère. Die grünen Konturen, auf denen Mann herumklickt, bilden maßstabsgerecht jene Gebäude ab, die in Anzère mittels des von der „Chauffage Bois Energie Anzère SA“ betriebenen Fernwärmenetzes beheizt werden. „Und wenn ich zum Beispiel wissen will, wo die Leitungen liegen, klicke ich ‚Leitungen‘ an und sehe das Wärmenetz“, fährt der Unternehmer fort.

Die Gemeinde Ayent erstreckt sich von der Rhône-Ebene bis zum 3.248 Meter hohen Wildhorn in den Berner Alpen. Foto: „MANN Naturenergie“

Tatsächlich wird auf Knopfdruck jedes einzelne Rohr im Dorf dargestellt, die Anschlusswerte in Kilowatt werden direkt mitgeliefert. Ebenso ist die Lage von Absperrventilen sichtbar: „Total praktisch“, kommentiert Markus Mann, „da muss ein Bauunternehmer, wenn er versehentlich mal eine Leitung anbaggert, nur schnell auf dem Smartphone schauen, wo er zudrehen muss.“

Wenn man besser verstehen möchte, wieso „MANN Naturenergie“ – ein ausgesprochen stark mit seiner Heimat, dem Westerwald, verbundenes Unternehmen – sich in einem 700 Kilometer entfernten Bergdorf in den Waliser Alpen um die Heizung für mehr als 100 Wärmeabnehmer kümmert, muss man in der 100-jährigen Firmengeschichte von MANN einige Jahrzehnte zurückblicken. Ende der 1960er-Jahre wollten Kurt Mann, der Vater des heutigen Geschäftsführers Markus Mann und damals Chef des Familienunternehmens, und seine Frau eine kleine Wohnung in Oberstdorf kaufen. „Meine Eltern dachten sich, dass das für den Winterurlaub doch toll wäre“, erzählt der Sohn heute. „Mein Opa aber riet ihnen – in Zeiten des Kalten Kriegs: ‚Nein, kauft euch besser etwas in der Schweiz – da gehen die Russen nicht hin!‘ Das heißt, wenn mein Opa keine Angst vor den Russen gehabt hätte, dann wären wir als Unternehmen vermutlich heute nicht in der Schweiz“, lacht Mann.

Ende der 1960er-Jahre war es für Kurt Mann noch ausgesprochen günstig, in den Walliser Alpen zu investieren und sich eine kleine Bleibe für die Ferien zuzulegen. Das zur Gemeinde Ayent gehörende Anzère bestand bis 1960 lediglich aus fünf einfachen Berghütten! Erst in den Folgejahren wurde der heute von knapp 900 Menschen bewohnte Ort allmählich aufgebaut; die örtliche Post entstand 1967, die Apotheke, ein Souvenirgeschäft und der Sessellift „Les Rousses“ folgten 1970 bis 1971. Die jüngste Liftanlage „Les Luys“ ging gar erst 2020 in Betrieb. Für Urlauber stehen in Anzère allerdings inzwischen etwa 8.000 Gästebetten zur Verfügung.

„Wir haben 1971 den ersten Winterurlaub dort verbracht“, erinnert sich Markus Mann, damals vier Jahre alt. „Irgendwann, Anfang der 2000er-Jahre, hat die Eigentümergemeinschaft des Gebäudes, in dem sich unsere Ferienwohnung befindet, darüber diskutiert, die alte Ölheizung auszutauschen – und eine neue einzubauen!“ Markus Mann ging „natürlich auf die Barrikaden“, wie er sagt, „wir installieren doch keine neue Ölheizung! Habt ihr denn noch nichts von Holzpellets gehört?“, so entgegnete er der Eigentümerversammlung. Die fand den Ansatz interessant und bat Mann, die Alternative einer Pelletheizung aufzuzeigen.

Mit der Erfahrung vom „MANN-Naturenergie“-Kraftwerk in Langenbach sowie von einem ersten Contracting-Projekt machte sich der Grünstrompionier ans Werk, arbeitete 2006/2007 einen Vorschlag für den Schweizer Ferienort aus. Die großen, zentralen Gebäude sollten an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden und von einer mit Pellets gefeuerten Heizzentrale versorgt werden.

Zwar brauchten die Eigentümer noch eine Weile, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Als die jedoch im zweiten Halbjahr 2009 feststand, Mann daraufhin im Herbst desselben Jahres einen Bauantrag bei den zuständigen eidgenössischen Stellen stellte, begann seine Erfahrung mit der aus deutscher Sicht wohl rekordverdächtigen Geschwindigkeit, mit der in der Schweiz Projekte realisiert werden können und die Behörden arbeiten.

Trotz der geringen Gemeindegröße, ist Ayent digital gut aufgestellt. Auf Knopfdruck sind Katasterdaten inklusive aller Leitungen einsehbar. Bitte klicken Sie START, um ein ausführliches Video-Interview mit Markus Mann zu dessen Erfahrungen mit der Schweizer Verwaltung zu sehen. Foto: Schmalenbach

„Schon im Frühjahr 2010 bekamen wir die Baugenehmigung für ein 2,2 Kilometer langes Wärmenetz mitten durch den Ort! Auch für die Heizanlagen – nach deutschem Recht wäre es eine ‚BImSch‘-Einrichtung, die unter die Verordnungen des komplexen Bundes-Immissionsschutzgesetzes fällt – hatten wir bereits im Frühjahr die Baugenehmigung“, schildert Markus Mann. „Es gab noch eine Rückfrage wegen der Schornsteinhöhenberechnung – das war’s. Und im Herbst 2010 haben wir in der Schweiz bereits die ersten zwei Großgebäude beheizt!“

Für den Westerwälder wurde der Lieblingsurlaubsort zwischenzeitlich auch zum Arbeitsort: „Wenn man heute bei winterlichem Wetter über den Dorfplatz geht und bei irgendjemandem ist das Schlafzimmer kalt, dann meint der schnell, dass das wohl an der Heizzentrale liegen muss, aber nicht an seinem eigenen Thermostat, das vielleicht klemmt oder so“, schmunzelt Mann.

Wie auch immer: Den Unternehmer fasziniert, wie pragmatisch die Schweizer Verwaltung die Vorhaben der Schweizer Tochter von „MANN Naturenergie“ stets begleitet hat. Die Heizzentrale und das Wärmenetz wurden seit der Inbetriebnahme mehrfach erweitert, zuletzt durch die Installation einer bemerkenswerten Photovoltaikanlage am Heizhaus (siehe „Ökostrom statt Werbung“). Und auch im noch jungen 2025 wird der Ausbau des Wärmenetzes in Anzère fortgeführt werden, weitere Gebäude sollen daran angeschlossen werden.

„Wie gut oder schnell es mit den öffentlichen Stellen funktioniert, da haben wir bei uns sogar schon Unterschiede von Landkreis zu Landkreis“, antwortet Markus Mann auf die Frage, worin sich die Realisierung neuer Vorhaben in der Schweiz von der in Deutschland nach seiner Beobachtung unterscheide. „Was mir positiv in der Schweiz aufgefallen ist: Bereits 2009 war man dort mit der Digitalisierung schon sehr weit! Ich habe damals einmal – digital – meine Unterschrift beim Architekten hinterlassen, und ich bin seither nicht mehr aufgefordert worden, nochmal auf Zeichnungen, auf der siebten Durchschrift eines Dokumentes und hintendrauf nochmal querzuzeichnen. Ich habe den Datensatz einmal in 2009 übergeben – und seitdem bin ich als Präsident der ‚Chauffage Bois Energie Anzère‘, die die Heizzentrale in der Schweiz betreibt, nicht mehr beansprucht worden.“

Bereits damals, beim Bau des ursprünglichen Heizhauses anno 2010, verblüfften die Schweizer mit ihrem Tempo. Foto: „MANN Naturenergie“

Wie anders da die Erfahrungen mit der Westerwälder Heimat: „Für eine kleine, zweieinhalbtausend Quadratmeter große Fläche an der Rosenheimer Lay, die befestigt werden soll, habe ich an einem Samstagmorgen eine Dreiviertelstunde lang nur auf zig Seiten Unterlagen unterschreiben müssen. Das weiß ich noch genau. Und habe aufgepasst, dass ich bloß keine Stelle verpasse, die gezeichnet werden muss – sonst kriegt man die Unterlagen wegen Unvollständigkeit zurück. So etwas habe ich in der Schweiz noch gar nicht erlebt.“

Dafür erlebt der Westerwälder Unternehmer wieder und wieder, wie pragmatisch Ideen von den Eidgenossen umgesetzt werden. „Wir haben der Gemeinde Ayent den Vorschlag gemacht, eine Möglichkeit zu schaffen, dass man Fotos von einer Baustelle in deren Portal hochladen kann, wenn man für Projekte ohnehin dauernd irgendwo am Graben ist und die Straße aufreißt. Damit in zehn, 15 Jahren jemand, der in der Nähe buddeln will, sich vorab einen optischen Eindruck verschaffen kann“, erklärt Mann.

So unterbreitete er der Verwaltung den Gedanken vor rund sechs Monaten. „Und vor drei Monaten hatten die für das gesamte Wallis die Umsetzung der Idee bereits scharfgeschaltet! Wer jetzt graben will, kann darauf zugreifen und schauen, wie es da aussieht. Abwasser, Frischwasser, EDV-Leitungen, alles liegt im Boden – und alles kann man sich auf den Bildern ansehen. Total praktisch gelöst!“

Markus Mann klickt noch etwas mehr im „digitalen Kataster“ der Eidgenossen herum, in dem er eingangs die grünen Flächen gezeigt hatte, die für ans Pellet-Wärmenetz angeschlossene Gebäude stehen. Auch Solaranlagen auf Hausdächern oder an Fassaden sind in der digitalen Karte verzeichnet. Klickt er auf eine Parzelle, wird direkt deren Eigentümer ausgewiesen.

„Will ein Eigentümer einmal nicht genannt werden, ist er verpflichtet, jemanden zu benennen, der sich ums Grundstück kümmert. Das macht es natürlich einfach“, betont Mann. „Wenn wir jetzt eine Planung haben und wollen ein weiteres Haus ans Wärmenetz anschließen, kann ich mit dem System messen, wie lang die Leistung sein muss, wie die Beschaffenheit des Geländes aussieht und vieles mehr.“

Im Video-Interview berichtet Markus Mann von seinen Erfahrungen in der Schweiz.

Der Westerwälder beschreibt, dass solche Dinge in seiner Heimat mehr Aufwand bedeuteten: „Wenn ich solche Angaben benötige, muss ich, am besten über einen Notar, beim Katasteramt erst das begründete Interesse nachweisen, damit ich den Ansprechpartner überhaupt erfahren darf. Wir kennen das Geoportal Rheinland-Pfalz, das schon ein Fortschritt ist, aber mir ist nicht bekannt, dass wir hierzulande beispielsweise einfach gucken könnten, welches Telekommunikationsunternehmen hat in dieser oder jener Straße eine Leitung liegen, damit ich verhindern kann, dass ich sie bei Bauarbeiten zerstöre.“ In der Schweiz habe er alle Daten innerhalb eines Nachmittags, sende Screenshots an den Schweizer Bauunternehmer. „Und zwei, drei Stunden später bekomme ich von ihm einen Angebotspreis für mein Vorhaben, 45 Meter zu graben, teils durch Fels, teils durch Wiese, teils durch Straße. Ich weiß, was der Meter Leitung mich kostet und kann dem Kunden meinerseits sofort ein Angebot machen.“

Es ist beinahe eine Schlusspointe, dass die Gemeinde Ayent – sie besteht aus elf Dörfern, darunter eben das besagte Anzère – eher klein ist: Während die Westerwälder Verbandsgemeinde Bad Marienberg, in der die „MANN Naturenergie GmbH & Co. KG“ ihren Sitz hat, 20.262 Einwohner aufweist (Stand Dezember 2023), lebten in Ayent im Februar 2024 lediglich 4.446 Menschen. Hier scheint das Motto „klein, aber fein“ zuzutreffen, sieht man sich den Stand der digitalen Verwaltung einer so kleinen Kommune an.

Dazu passt, was Markus Mann dort jüngst erlebt hat, als er anregte, an der mit der neuen Photovoltaikanlage ausgestatteten Heizzentrale in den Waliser Alpen zusätzlich Ladesäulen für Elektrofahrzeuge aufzustellen. „Das dient doch auch dem Ort und der Ökologie, wenn unser Netzanschluss nicht nur für die Photovoltaik, sondern ebenso für E-Mobilität und Infrastruktur benutzt wird“, begründet er.

So schrieb Mann „einen Dreizeiler an die Gemeinde“, fügte Bilder mit Stellen hinzu, an denen er sich den Standort der Ladesäulen vorstellen könnte. „Dann kam gleich darauf ein Teams-Link (Anm. d. Red.: „Teams“ ist eine von „Microsoft“ betriebene Kommunikationsplattform, über die man unter anderem Videokonferenzen im Internet abwickeln kann) und wir haben kurz besprochen, was ich mir gedacht habe. Als ich zuletzt im vergangenen November wieder nach Anzère gefahren bin, haben die dort doch sogar schon die Parkplatz-Markierungen auf das Pflaster gemalt und ein Schild aufgestellt: ‚Nur für Elektrofahrzeuge‘. Dabei haben wir die Ladesäulen noch gar nicht in der Schweiz installiert…“, schmunzelt Mann.

Uwe Schmalenbach

Ökostrom statt Werbung

„Sehr einfache Regularien vom Netzbetreiber und auch Eigenverbrauchsregeln haben dies möglich gemacht“, antwortet Markus Mann auf die Frage, wie es nur sein kann, dass sein Schweizer Tochterunternehmen „Mann Energie Suisse“ zwar erst im Frühjahr letzten Jahres eine Photovoltaikanlage für die Heizzentrale Anzère geordert hatte, diese jedoch bereits seit dem 26. November „grünen“ Strom liefert. In Deutschland hört man dagegen vielfach Klagen (speziell von Unternehmen) über fertige und eigentlich betriebsbereite, jedoch noch nicht angeschlossene PV-Anlagen, die seit Monaten der Anbindung ans Stromnetz harrten.

Jetzt werden am Gebäude voraussichtlich 98.000 kWh Ökostrom im Jahr erzeugt.

„Vorhandene Netzkapazitäten durch gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt („Überbauung“) und mehr Netztransparenz effizienter nutzen/Kommunikation mit Netzbetreibern schnell, einfach und digital gestalten/Mehr Verbindlichkeit auch für Netzbetreiber herstellen“: So lauten Forderungen in einem aktuellen Zehn-Punkte-Papier des „Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V.“ (BSW Solar), das der Redaktion „Wäller Energiezeitung“ vorliegt. Man könnte daraus entnehmen, dass die Organisation ihrerseits beobachtet, dass es beim „Anklemmen“ ans Stromnetz hapert, weshalb der Zu- beziehungsweise Ausbau der Photovoltaik in Deutschland nicht mit dem maximalen Tempo vorankommt.

„Damit der Netzausbau künftig mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien Schritt halten kann, bedarf es eines zügigen und vorausschauenden Netzausbaus, einer effizienteren und schnelleren Kommunikation zwischen Anschlussbegehrenden und Netzbetreibern und letztendlich einer aufgeschlossenen Herangehensweise bei der Integration neuer, innovativer Ideen im Bereich Netzanschluss und Netzbetrieb“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des „BSW Solar“.

Vor dem Umbau wurden die Fassadenflächen für Werbebanner genutzt.

Eine „aufgeschlossene Herangehensweise“, wie es Körnig formuliert, ist, was Markus Mann in der Schweiz erlebt, seit dort im Sommer des Jahres 2010 die Bauarbeiten für eine mit Pellets befeuerte Heizzentrale im Ferienort Anzère begannen. Schon das vorangegangene kurze Genehmigungsverfahren war aus deutscher Sicht überaus bemerkenswert: Der Bauantrag für die Heizzentrale wurde im Herbst 2009 gestellt, nach nur acht Monaten durften die Handwerker loslegen.

Um das Projekt Heizzentrale umzusetzen, gründete Markus Mann eine Aktiengesellschaft in der Schweiz, an der sich auch die Einheimischen beteiligen konnten. 47 Prozent der Anteile gehören den ersten 14 Großkunden. Das MANN-Tochterunternehmen „MANN Energie Suisse Sarl“ hält die Mehrheit, da die örtlichen Banken einen Hauptverantwortlichen verlangten. „Das waren halt wir, die Familie Mann“, erklärt Markus Mann. Sein Bergsteigerfreund, der Walliser Albert Bétrisey, hat sich in der Gesellschaft seinerseits mit 20 Prozent eingebracht. „So haben die Familien Bétrisey und Mann die Mehrheitsbeteiligung an einer Aktiengesellschaft in diesem Ferienort“, beschreibt Markus Mann.

Das Projekt wuchs und wuchs, aus anfänglich 14 Wärmeabnehmern sind inzwischen über 100 geworden; weitere sollen in dem auf 1.500 Meter Höhe liegenden Ort in diesem Jahr folgen (siehe auch „Eine Unterschrift – das war es“). Bis zum Sommer 2022 versorgten die beiden gleich zu Beginn installierten Heizkessel das Wärmenetz alleine. Mit ihrer Leistung von je 3,15 Megawatt (MW) vermochten sie, einen zuvor deinstallierten 18-MW-Ölkessel zu ersetzen. Damit wird die Verbrennung von jährlich 1,6 Millionen Liter Heizöl vermieden!

Eben in jenem Sommer 2022 wurde ein 880 Kilowatt leistender Spitzenlastkessel zusätzlich von „MANN Naturenergie“ im Alpendorf installiert (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), der in der warmen Jahreszeit ausreicht, um für wohlig temperiertes Wasser in den angeschlossenen Pensionen, Hotels und Ferienhäusern, dem örtlichen Schwimmbad zu sorgen, und im Winter die zwei Kessel aus 2011 unterstützt, falls es doch einmal richtig knackig kalt wird.

400 Tonnen fasst das Pelletlager in felsiger Steillage. 3.000 Tonnen im Jahr werden benötigt. Das entspricht 1,6 Millionen Liter Heizöl, die so eingespart werden. Fotos: „MANN Naturenergie“

Inzwischen ist das Wärmenetz in Anzère auf eine Gesamtlänge von beachtlichen 4,7 Kilometern angewachsen. Von den gut 8.000 Quartieren für Gäste im Feriendomizil werden dadurch schon 7.000 mit nachhaltiger und vor Ort produzierter Wärmeenergie versorgt.

Am Heizhaus, das an einem Felsen gebaut wurde, warben bis ins vergangene Jahr zwei große Werbebanner für die „Anzère eigene Station mit natürlicher Heizung“. An deren Platz ist nunmehr die PV-Fassadenanlage montiert worden. Sie hat eine Spitzenleistung von 88 Kilowatt und kann so voraussichtlich 98.000 Kilowattstunden Ökostrom im Jahr an Ort und Stelle erzeugen – und damit 40 Prozent des Strombedarfs der Heizzentrale (etwa für elektrische Pumpen) decken, ohne lange Übertragungswege zwischen Stromerzeugung und -verbrauch.

„Im Frühjahr 2025 werden wir noch einen Ladepark zur Verbesserung der E-Mobilitäts-Infrastruktur an die Heizzentrale stellen. Die Gemeinde hat uns großzügig kostenfrei die Flächen zur Verfügung gestellt“, erzählt Markus Mann. So würden zwei Schnelllader sowie vier Elf-KW-Lader errichtet – und ebenfalls mit dem Strom aus der neuen PV-Anlage betrieben. „Es funktioniert, weil in der Schweiz sehr vieles einfach – einfacher als in Deutschland – ist“, resümiert Mann.

Es gibt schon immer mal Gänsehautmomente

Es leben zwar nur 13.000 Menschen in Altötting, obwohl die Stadt im Alpenvorland eine Kreisstadt ist. Jedoch halten sich übers Jahr gesehen erheblich mehr Menschen im 90 Kilometer von München entfernten Ort auf: Bis zu einer Million (!) Wallfahrer pilgern alljährlich nach Altötting, laut städtischer Bürger- und Touristinfo seit 500 Jahren und bis heute der bedeutendste Marienwallfahrtsort im deutschsprachigen Raum. Dort soll sich im 15. Jahrhundert sogar ein Marienwunder ereignet haben, als ein verstorbenes Kind auf Flehen seiner Mutter angeblich ins Leben zurückkehrte.

Der Christkindlmarkt auf dem Kapellplatz in Altötting ist beschaulich und einen Besuch wert. Aus der Stadt kommt die Firma EWD. Foto: Altötting/Heine

„Viele Menschen suchten daraufhin Schutz und Hilfe bei der Muttergottes von Altötting. Zu dieser Zeit waren Wallfahrten sehr beliebt und die Gnadenkapelle wurde rasch zu einem Zentrum der Volksfrömmigkeit, das während der folgenden Jahrhunderte von den Wittelsbacher Fürsten intensiv gefördert wurde“, so das Bürger- und Touristinfo weiter.

Altötting ist indes nicht nur ein Zentrum der Volksfrömmigkeit, sondern ebenso der Firmensitz der „Esterer WD GmbH“, kurz „EWD“. „EWD“ steht auch auf der Arbeitskleidung von Ernst Kutschka. Der Diplom-Ingenieur ist Projektleiter und mit seinen Kollegen über die vergangenen Tage in Langenbach gewesen, um die neue Sägelinie der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) in Betrieb zu nehmen (siehe Vielleicht…).

„Die grundsätzlichen Abläufe sind schon immer die gleichen, aber im Detail ist es doch jedes Mal anders, wenn man eine Anlage aufbaut und in Betrieb nimmt“, sagt Kutschka. „Hier haben wir eine Mischung aus Neubau und Bauen im Bestand gehabt und beengte Platzverhältnisse.“ Allerdings sei das bei EWD bekannt gewesen und die Planung natürlich darauf abgestimmt worden. „Und wir konnten die Einbringung der schweren Maschinen rechtzeitig vorsehen und haben sie mit dem entsprechenden Hebezeug – aweng knapp – aber doch hineingebracht.“

Mittels guter Hilfsmittel wie einem 3-D-Laser-Scanner und Maßaufnahmen sei die Planung bei EWD passend vorgenommen worden. „Von dem her gab es jetzt eigentlich keine Überraschungen“, führt Ernst Kutschka aus, „Engstellen haben wir rechtzeitig erkannt und entsprechend darauf reagiert“, so der im fünften Jahr bei EWD Tätige.

Trotz aller Professionalität und guter Vorbereitung sei der Moment, zu dem an einer neuen Säge erstmals Holzspäne durch die Luft wirbelten, „auf jeden Fall“ immer ein besonderer Augenblick, gesteht der Projektleiter: „Wenn ich sagen würde, dass das für mich alles komplette Routine sei, wäre das gelogen. Es gibt schon immer mal Gänsehautmomente.“ Wenn ein gemeinsam erarbeiteter Plan schlussendlich funktioniere, sei das einfach sehr befriedigend.

Wenn der Zeitplan abermals so gut aufgeht wie beim Bau der Anlage, werden die WWP in der dritten oder vierten Woche 2025 offiziell das sogenannte „erste Holz“ schneiden. Hier rollen die Stämme auf den Bandsägewagen.

Dazu mussten die Maschinenteile nicht nur perfekt mechanisch aufeinander ausgerichtet werden. Ebenso, erklärt Kutschka, hatten kundige Programmierer die Steuerung der Linie in sogenannten „SPS“ abzulegen und dazu Daten aus ungefähr 20 Sensoren in der Säge einzubeziehen. Eine wahre Kunstfertigkeit sei dann die Arbeit der Inbetriebnehmer, lobt Kutschka weitere seiner Kollegen, die vor Ort dafür sorgten, dass sämtliche Abläufe im Zusammenspiel aller montierten Komponenten perfekt flüssig funktionierten. „Man braucht dafür eine gute Beobachtungsgabe, um bei allem Ursache und Wirkung zu erkennen“, schildert der Ingenieur, wiewohl Hilfsmittel wie Zeitrafferkameras genutzt würden.

Kutschka und seine Kollegen sind fürs Weihnachtsfest selbstverständlich heimgekehrt; nach Bayern, in die Region zwischen Chiemsee, Passau, Salzburg. Doch nach der Jahreswende, im Januar, werden sie noch einmal in den Westerwald zurückkommen. Während dreier Wochen sollen die letzten Dinge, die zu einer Inbetriebnahme einer so komplexen Sägelinie gehören, erledigt und ebenso die Bediener der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) eingearbeitet werden. „Man muss ein Gefühl für alles kriegen, die Joysticks am Bedienstuhl zum Beispiel“, deutet er auf die Steuerhebel am modernsten Arbeitsplatz der WWP, „da ist schon auch eine Fingerfertigkeit dabei.“

Dies trotz der Tatsache, dass mit einer Investition von über zehn Millionen Euro modernste Technik eingebaut worden ist, die den Sägewerkstandort Langenbach für die nächsten Jahre zukunftsfest mach. Und eine wachsende Zahl von soliden Arbeitsplätzen für Menschen im Oberwesterwald bietet.

Vielleicht das schönste Geschenk

Beschaulich erstrahlt der mächtige Weihnachtsbaum auf dem Gelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP). Der warme Kerzenschein fällt auf einige Schnittholz-Pakete, die um die Tanne herum abgestellt worden sind und beinahe wirken wie überdimensionale Geschenkpäckchen unter einem Christbaum. Nichts deutet in dieser anheimelnden Szenerie darauf hin, wie fieberhaft wenige Meter weiter noch bis ganz kurz vor dem Fest an der Inbetriebnahme der neuen Sägelinie der WWP gearbeitet wurde. Dabei schien das Ziel, vor Weihnachten erstmals Holz auf der neuen Blockbandsäge zu schneiden, im letzten Moment unerreichbar zu werden, als ein wichtiger Keilriemen bei einem Probelauf zerstört wird.

Der von Schnittholzpaketen eingerahmte Weihnachtsbaum bei den WWP. Fotos: Schmalenbach

Es ist – das muss man einräumen – eine eher „sportliche“ Planung gewesen: Erst im Juni des Jahres wurden Öffnungen in die Wände der bisherigen Sägewerkshalle geschnitten, um benachbart den Erweiterungsbau für die neue Blockbandsägelinie errichten zu können. Im September ist man noch dabei gewesen, dessen Bodenplatte zu glätten, auf der die Anlage inzwischen aufgebaut wurde.

Es gab danach kaum einen Tag, an dem nicht weitere Bestandteile angeliefert, per Kran in die neue Halle gehoben oder Kabelverbindungen hergestellt wurden. Alles erfolgte im laufenden Betrieb, denn auf der stofflich-energetisch optimierten Sägeanlage (SEO), der „alten“ Linie der WWP, wurde nebenan unterdessen weiter fleißig Schnittholz für die Verpackungsindustrie gefertigt – die besagten Pakete unterm Weihnachtsbaum eben.

Vom Ziel, noch vor den Festtagen erstmals Rundholz auf der neuen Linie zu sägen, hatte Projekt-Ingenieur Daniel Rahn nichtsdestotrotz während der ganzen Zeit gesprochen, jedoch auch hinzugefügt, dass kein großer Puffer mehr vorhanden sei, mithin nicht mehr allzu viel anders als geplant laufen dürfe (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).

Durch ein enormes Engagement aller beteiligten Unternehmen, unterstützt von den kompetenten Mitarbeitern der WWP wie etwa den stets dienstbereiten Betriebselektrikern und den erfahrenen Männern aus der Schlosserei, gelang es, die aus einer Reihe von Stationen bestehende Sägelinie tatsächlich fristgerecht aufzustellen, die vom Altöttinger Hersteller EWD gebaut worden ist.

Da fliegen die Späne, wenn der Bandsägewagen am rotierenden Blatt vorbeifährt!

Wie gesagt: Es dreht sich dabei nicht allein um die eigentliche, 17 Grad geneigte Bandsäge. Oder den von einem frequenzgesteuerten Getriebemotor angetriebenen Bandsägewagen davor, welcher das Rundholz auf 30 Zentimeter durchmessenden Stahlrädern auf einem Gleis am Sägeblatt vorbeifährt. Weit vor der Stelle, wo der Stamm auf den Bandsägewagen rollt, optimal eingedreht und mit hydraulischen Spannböcken festgehalten wird, beginnt die Sägelinie und bearbeitet erstmals das Holz, das vom Rundholzplatz auf den „Aufgabetisch“ gebracht wird: Zunächst fräst eine Maschine den „Wurzelanlauf“ der Stämme ab und diese damit gerade. Anschließend geht die „Entrindungsmaschine“ zu Werke, in der rotierende Messerarme dem Holz seine „natürliche Verpackung“ abnehmen. Mit der nachfolgenden Metallsuchspule werden Stämme aussortiert, die man wegen der Fremdkörper nicht auf die Säge fahren lässt und die anschließend in einem Schredder weiterverarbeitet werden.

Der Antrieb dieser Kreissägeblätter funktioniert nicht ohne den neuen Keilriemen.

Stämme, die frei von Metall und weder zu dick (mehr als ein Meter Durchmesser) oder zu dünn für die Blockbandsäge sind, werden in eine „Pufferzone“ weiterbefördert. Sie gewährleistet durch einen „Vorrat“ von bis zu drei Stämmen, dass alle System auch dann unterbrechungsfrei zusammenwirken, wenn sich deren Geschwindigkeit von einander unterscheidet.

Im eigentlichen Sägewerk wird das Rundholz als nächstes vermessen. Das liefert abrechnungsrelevante Daten und ebenso alle Angaben, aus denen die neue, intelligente Säge für jeden einzelnen Stamm ein optimiertes Schnittbild errechnet und das Starkholz entsprechend auf dem erwähnten Bandsägewagen eindreht, so dass das zuvor gezeichnete Schnittbild wirklich gesägt werden kann.

Ergänzend greift die Technik dabei auf eine Datenbank zurück. In der ist hinterlegt, welche Dimensionen von Brettern die WWP gerne aus dem Rundholz herausbekommen möchten. „Die Software errechnet die ideale Kombination aus den benötigten Produktmaßen und der bestmöglichem Ausbeute“, erläutert Daniel Rahn. Das sei im Interesse der Nachhaltigkeit, um möglichst den gesamten Stamm stofflich nutzen zu können und somit möglichst wenig „Sägenebenprodukte“ anfallen zu lassen (wenngleich die ebenfalls ressourcenschonend nicht „weggeworfen“, sondern wenige Meter weiter zu Westerwälder Holzpellets verarbeitet werden).

„Die verschiedenen Produkte in der Datenbank müssen wir uns tagesaktuell angucken“, fährt Projekt-Ingenieur und Prokurist Rahn fort, „was steht genau im Auftrag, was muss produziert werden, damit wir es verkaufen können?“ Dabei sei zusätzlich zu berücksichtigen, welche Bretter gerade auf der benachbarten SEO-Anlage geschnitten würden, da „alte“ und neue Sägelinie eine gemeinsame „Nachschnittsäge“ nutzen, die die Bretter an den Schmalseiten auf das ganz exakte Maß bringt.

Bevor es so weit ist, sägt die Bandsäge die Stämme „scheibchenweise“ in Bretter und richtig dicke Bohlen. Da das Sägeblatt Zähne auf beiden Seiten hat, passiert das im Vor- und Rückschnitt.

Die Bohlen und Bretter fahren weiter in Richtung einer „Besäum- und Nachschnittkreissäge“ sowie einer reinen Nachschnittkreissäge. Erstere „besäumt“ das Holz, was bedeutet, dass die „Waldkante“ weggeschnitten wird. Das ist der Teil eines Brettes, der nicht kerzengerade, sondern der natürlichen Wuchsform des Baumes folgend geschwungen ist. Dicke Bohlen werden von der Nachschnittkreisäge wiederum in einzelne Bretter zerteilt.

Mittels Laserstrahlen vermisst diese Vorrichtung jeden Stamm einzeln und dreidimensional.

Und genau bei einer der Nachschnittkreissägen gab es ein technisches Problem, das ausgerechnet an jenem Tag kurz vorm Fest auftrat, als zum Abschluss der monatelangen Arbeiten die Inbetriebnahme der Linie anstand, eigens ein „Inbetriebnehmer“ der Herstellerfirma in den Westerwald gefahren war: Ein Keilriemen, der die Kreissägeblätter antreibt, hatte dem Anschein nach die falsche Spannung und wurde beim Probelauf binnen Sekundenschnelle zerstört!

Doch dank eines mitten im vorweihnachtlichen „Versandtrubel“ weiter dienstbereiten Kuriers – allein der Anbieter DHL hat nach eigenen Angaben am 2. Dezember erstmals über zwölf Millionen Pakete an nur einem einzigen Tag im deutschen Paket- und Postnetz sortiert – kommt ein neuer Keilriemen nur einen Tag später in Langenbach an. Gleich machen sich die weiterhin anwesenden Fachleute des Herstellers ans Werk, und tatsächlich gelingt es, die Bandsägelinie am selben Tag zu reparieren. Kurz darauf fällt eine armdicke Bohle aus einem ersten Teststamm in der Bandsäge, perfekt gesägt.

Sie haben das selbst nicht geäußert, aber man ist zu mutmaßen geneigt, dass dieses bewegende Erfolgserlebnis für die Beteiligten in diesem Jahr das schönste Weihnachtsgeschenk ist.

Der modernste Arbeitsplatz der WWP

Im Moment ist der bequeme Sitz weiterhin in Folie eingepackt. Auf den Halterungen für Tastatur und Bildschirme fehlen noch die Geräte. Allerdings erkennt man bereits gut: Das hier wird ein überaus zukunftsweisender Arbeitsplatz – genaugenommen der modernste in der Unternehmensgeschichte der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP). Hier wird in wenigen Wochen regelmäßig ein Mitarbeiter in der „Bedienkabine“ Platz nehmen, mit Dutzenden Knöpfen und zwei Joysticks die Blockbandsäge dirigieren, die er jenseits einer Sicherheitsglasscheibe vor sich arbeiten sieht. Zwei weitere Bewerber haben derzeit noch die Chance, als Bediener bei den WWP einzusteigen.

Daniel Rahn (links) und Jan-Philipp Alhäuser zeigen das Herzstück, die eigentliche Bandsäge. Das beeindruckende Sägeblatt muss täglich gewechselt werden.

Alles an „Hardware“ wurde geliefert und sämtliches, das hinein musste, ist inzwischen in die neue Halle gebracht worden, die für die neue Sägelinie der WWP errichtet worden ist (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete). „Unsere Schlosser sind gerade dabei, die ‚Begehungen‘ an den Maschinen anzubringen“, erläutert Projektingenieur Daniel Rahn den derzeitigen Stand der Arbeiten. Diese Begehungen dienten später im Betrieb dazu, einen komfortablen Zugang zur Sägelinie zu ermöglichen, wenn Wartungsarbeiten zu erledigen sind.

Denn trotz aller zeitgemäßen Technik: Vom Instandhaltungsteam müssen Kreis- und Bandsägeblätter regelmäßig gewechselt werden, da sie im Betrieb abstumpfen. Das Bandsägeblatt muss sogar einmal am Tag ausgetauscht werden, verdeutlicht der Sägewerk-Abteilungsleiter Jan-Philipp Alhäuser. Etliche Ketten, die das Holz in der Sägelinie bewegen, sind nachzuspannen und zu ölen, Lager müssen geschmiert werden.

Der Maschinenbediener aus der Kabine solle ruhig dabei mitwirken, sagen Rahn und Alhäuser – schon alleine, um sich mit seiner Anlage irgendwann perfekt auszukennen. Zwar sei die primäre Aufgabe die Bedienung der Anlage, betont Jan-Philipp Alhäuser, „doch das Entstören gehört als zweitwichtigste Aufgabe in einem Sägewerk ebenfalls dazu.“

Hier beginnt die neue Sägelinie: Künftig wird hier das Holz aufgegeben. Fotos: Schmalenbach

Die meiste Zeit wird der Bediener aber natürlich in seinem drehbaren Bedienstuhl sitzen, der eingerahmt ist von allerhand Steuerelementen. Rund um das Fenster, aus dem der Bediener von oben auf die Säge schaut, werden später Displays 16 verschiedene Kamerapositionen zeigen. Denn die gesamte Sägelinie ist recht lang. Ein Abschnitt davon ist draußen vor der Halle aufgebaut worden. „Und der Bediener sieht selbst nur einen Teil direkt vor sich – quasi das Herzstück, die eigentliche Blockbandsäge. Dort hat er den Stamm direkt im Blick und dreht ihn computergestützt so ein, dass wir eine optimale Schnittausbeute erlangen. Darauf liegt der Fokus des Kollegen“, sagt Daniel Rahn. Parallel müsse er gleichwohl überwachen können, wie die Nachschnittsägen laufen, ob der „Besäumer“ arbeitet, wie er soll, oder ob es im Bereich der Holzzuführung draußen vor der Halle irgendwo hakt.

Dort werden die Stämme ohnehin bereits ein erstes Mal bearbeitet: Der Wurzelanlauf wird „reduziert“, also parallel gefräst. Danach läuft das Holz durch einen Entrinder. Nach diesen „groben“ Vorbereitungen wird die genaue Dimension jedes einzelnen Stammes in der „Werkseingangsvermessung“ ermittelt. Mit einem

3-D-Verfahren wird das Rundholz dabei in seiner kompletten Kubatur erfasst, mithin das Volumen festgestellt. Diese Anlage liefert zugleich die Daten für die spätere Abrechnung – alles, bevor der Stamm in die eigentliche Halle gelangt.

Drinnen rollt der Stamm auf den Bandsägewagen und wird dabei von einer zweiten, mit der ersten Vermessung vernetzten Messeinrichtung rundherum betrachtet. Die Technik zeigt dem Bediener anschließend sofort einen idealen Eindrehwinkel, in welchem er den Stamm durch die Säge laufenlassen könnte. Der Bediener nimmt den Vorschlag per Knopfdruck an oder kann jederzeit anders entscheiden.

Zwei weitere Bewerber haben im Moment noch die Chance, zum WWP-Team zu stoßen und diesen tollen Arbeitsplatz zu bekommen. Wichtig sei dafür vor allem ein „Maschinenverständnis“, um die Zusammenhänge in der Technik zu begreifen. Aber zuvor Erfahrung in einem Sägewerk gesammelt haben, das müsse man nicht (Rahn: „Auf keinen Fall“). „Man muss halt Interesse an Technik haben“, beschreibt Jan-Philipp Alhäuser, „eine technische Ausbildung zum Beispiel im Metallbereich kann hilfreich sein – den Rest kann man lernen.“

Doch vorher sind noch alle Arbeiten abzuschließen, ehe im Dezember erstmals Holz geschnitten werden soll. In den Schaltschränken, die in Containern auf das Dach der Halle für die neue Sägelinie gesetzt wurden, sind die WWP-Elektriker noch damit beschäftigt, die Anlage mit der „Hauptmittelspannungsschaltanlage“ der „Westerwälder Holzpellets“ zu verbinden. Armdicke Kabel laufen dazu in die Container. Darin wird aus der Mittelspannung Niederspannung gemacht, also von 20.000 Volt auf 400 Volt reduziert, die zur Sägelinie fließen.

Insgesamt schaffen die WWP mit der neuen Anlage zugleich eine Reihe neuer Arbeitsplätze und fördern so die heimische Wirtschaft. Ein zusätzlicher Schlosser ist – neben den Maschinenbedienern – beispielsweise ebenso erforderlich für deren Betrieb wie ein weiterer Fahrer für die Holzumschlagbagger, die das Rundholz zur neuen Sägelinie befördern.

Über zehn Millionen Euro wurden laut Daniel Rahn und Jan-Philipp Alhäuser bereits investiert – ein sehr deutliches Bekenntnis zum Firmenstandort Langenbach im Oberen Westerwald, der damit für die Zukunft gestärkt wird. Er bedeutet für zahlreiche Familien in der Region ein sicheres Einkommen. Zudem gibt der Betrieb mit Millionenbeträgen für die jährlichen Steuerzahlungen viel Geld fürs Gemeinwesen ab.


Manchmal erinnert eine Tür an die Großeltern

Wenn man eine Weile mit Markus Löhr zusammensitzt, beginnt er bald zu schwärmen. Von der Begeisterung für sein Handwerk, von Lampen im Oberlicht, handgeschmiedeten Bronzebeschlägen, wiederverwendeten Eisengittern. Er referiert packend über „Bedarfsflügel“, „Fächerprofile“ und geschnitzte Familienwappen. Man merkt rasch: Die Haustüren, die in der Schreinerei Löhr in Höchstenbach gefertigt werden, sind für den Inhaber eine tief empfundene Leidenschaft.

Der Schwerpunkt der Arbeiten in Markus Löhrs (rechts) Werkstatt sind historische Haustüren, die oft mit Schnitzarbeiten von Silas Loch (links) verziert werden.

Höchstenbach in der Verbandsgemeinde Hachenburg ist dörflich geprägt: Gut 700 Einwohner, keine zehn Prozent davon mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Es gibt einen Italiener, Grillimbiss, Tankstelle, Bäckerei. Das Flüsschen Wied plätschert gleich hinter Markus Löhrs Betrieb vorbei. „Was los“ ist in Höchstenbach vor allem auf der zu Stoßzeiten unangenehm stark befahrenen Bundesstraße 413, die das Dorf der Länge nach durchzieht und dort obendrein der B 8 begegnet. Oder wenn der Freizeit- und Kulturverein „Zum Weißen Ross“ zum Sommerfest in die „Event-Scheune“ lädt, der evangelische Posaunenchor ein Benefizkonzert spielt oder die örtliche Kirmesgesellschaft die Pfingstkirmes organisiert.

Doch trotz aller Beschaulichkeit: Türen aus Höchstenbach finden sich deutschlandweit und sogar im Ausland! Ja, er habe zum Beispiel bereits nach Dänemark, Frankreich, in die Schweiz oder nach Luxemburg geliefert, bestätigt Markus Löhr. Zuweilen schreitet man selbst an sehr bekannten Orten wie etwa in der Villa Hügel in Essen durch von ihm und seiner Mannschaft gefertigte Portale.

Silas Loch ist sehr talentiert beim Schnitzen.

2004 hat Markus Löhr den traditionsreichen Betrieb in fünfter Generation vom Vater übernommen. Der Junior spezialisierte sich rasch auf Türen. „Haustüren waren schon immer mein Steckenpferd“, erklärt er nur knapp. Der Handwerksmeister hat 15 Mitarbeiter – darunter allein sechs mit einem Abschluss als Tischlermeister! Verarbeitet wird entweder Westerwälder Eiche aus dem heimischen Sägewerk Schmitz in Hamm/Sieg, astreines Holz oder – so nennen es die Fachleute – „Altholz“ aus Fachwerkbauten.

Letzteres schneiden die Mitarbeiter der Schreinerei Löhr zunächst auf, erhitzen es auf 70 Grad und reduzieren seine Feuchtigkeit auf elf bis zwölf Prozent. Weiter runter werde es, anders als Möbelholz, nicht getrocknet, erläutert der Schreinereichef. Andernfalls würde sich die spätere Haustür verziehen, wenn sie eingebaut wurde und der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt ist.

Eine Glaserin gehört ebenfalls zum Höchstenbacher Team und fertigt passende Bleiglasscheiben an.

Aber dann sind die Portale sehr widerstandsfähig. Lackiert wird in Höchstenbach nicht, allenfalls lasiert oder geölt. Vor allem Türen „mit historischem Charakter“ von Jugendstil bis Barock fertigen Löhr und seine Leute, genauso Nachbauten denkmalge- schützter Türen. Trotz der bewusst altertümlichen Optik steckt in den Türen modernste Technik. Fünffach-Verriegelungen bieten Sicherheit auf höchstem Niveau, meist erhalten die Türen auch einen Glaseinsatz. Die Verglasung ist auf Wunsch sehr belastbar und bei Bedarf sogar schusssicher. Kommt Bleiverglasung zum Einsatz, so wird auch diese in Höchstenbach hergestellt.

Sechs bis sieben Monate dauere es nach dem Erstgespräch bis zur eingebauten Tür, beschreibt Markus Löhr. Die gemeinsame Gestaltung mit den Kunden nehme meist zwei bis drei Stunden in Anspruch, „und die Leute kommen oft schon mit genauen Vorstellungen zu uns“, ergänzt der Handwerksmeister.

In dessen Werkstatt werden alle Maschinen mit „MANN Strom“ betrieben, soweit eine eigene PV-Anlage auf dem Dach mit knapp 30 Kilowatt Leistung sie nicht zu speisen vermag. Seine private Bleibe sowie einige Immobilien versorgt Markus Löhr ebenso mit dem echten Ökostrom aus dem Westerwald. Löhr und Mann lernten sich kennen, als Markus Mann, geschäftsführender Gesellschafter von „MANN Naturenergie“, selbst eine neue Tür benötigte. 2014 wurde der Schreinermeister Kunde beim Langenbacher Energielieferanten.

Zu 95 Prozent werden in Höchstenbach massive Türen gefertigt. Fotos: Schmalenbach

„Aber das mit der Tür war nicht der Hauptgrund, ‚MANN Strom‘ zu beziehen“, schildert Markus Löhr, „es ist mehr, dass es ein Unternehmen ist, zu dem ich Vertrauen habe und das vor der Haustür ist. Ich will nicht jedes Jahr einen neuen Anbieter suchen müssen – aber auch nicht über’s Ohr gehauen werden“, schmunzelt der Höchstenbacher Unternehmer.

In der Werkstatt ist Silas Loch gerade dabei, Ornamente in eine Tür zu schnitzen. Loch befindet sich noch in der Ausbildung, hat aber im bayerischen Wald bereits eine Schnitzschule besucht und hat offenbar „ein Händchen“ für Schnitzarbeiten. „Du machst das wirklich klasse“, lobt sein Chef, als er dem Azubi über die Schulter schaut. Der will im Anschluss an die Lehre bei Meister Löhr ein Jahr lang zu „work and travel“ in Kanada aufbrechen, um mit neuen Ideen zurückzukehren.

Markus Löhr hat einen üppigen Vorrat an Altholz-Balken für den Rahmenbau.

Probleme, seinen Personalbedarf zu decken, kenne er nicht, schüttelt Markus Löhr den Kopf. „Richtige Handwerker möchten eine so geile Arbeit machen!“, stellt er heraus und blickt versonnen auf das Bild einer Tür aus der Zeit des Klassizismus. Ein junges Paar sei mit einem alten Foto zu ihm gekommen, erzählt der Westerwälder: „Die jungen Leute hatten ein Haus von den Großeltern geerbt und wollten diesem die Ursprungstür zurückgeben.“ Dafür hätten sie die vor dem Einzug ins Erbe bereits georderte Einbauküche abbestellt. Das Gebäude betritt man dafür nun durch die lediglich anhand der alten Fotografie in Höchstenbach nachgebaute Türe, die an die Großeltern erinnert.

Solche Geschichten kann Markus Löhr zu etlichen seiner Arbeiten erzählen, viele davon sind anrührend. Auf einmal begreift man, warum er anfangs davon gesprochen hatte, dass Haustüren für ihn eine Leidenschaft seien.

Uwe Schmalenbach

Interessierte Besucher und viele kluge Fragen

Sie sei bereits seit elf Jahren Kundin bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP), erzählt Carolin Cramer. Immer schon habe sie einmal zum Besuchertag kommen und schauen wollen, wie der Brennstoff für ihre Heizung entsteht. „Aber irgendwie hat das nie so richtig hingehauen von der Zeit her“, so Cramer, „doch heute hat es geklappt.“ Mit den WWP sei sie sehr zufrieden, lobt die Kundin: das Produkt überzeuge sie und die Fahrer seien bei den Lieferungen stets pünktlich, nett und um Sauberkeit bemüht. „Ich kann nichts anderes sagen“, betont Carolin Cramer, die zusammen mit ihrem Partner Ralf Gatzke als nächstes einen Blick in den elektrischen Großspeicher auf dem Werksgelände werfen will.

Jan-Philipp Alhäuser (rechts) erläutert die Baumaßnahmen.

Wann startet das Bahn-Projekt der WWP? Wie viele Mitarbeiter sind in Langenbach bei Kirburg tätig? Woher kommt das hier verarbeitete Holz? Welche Baumarten werden verwendet? Und wie lang dürfen Stämme sein, die gesägt werden? Die Gruppen, die sich bei insgesamt sieben Führungen im Stundenrhythmus über das Werksgelände, zu den Pelletpressen, in die Spänehalle oder zum Ladepark begleiten lassen, nutzen rege die Gelegenheit, um ihre vielen Fragen zu stellen.

Welche Gesamtleistung haben die auf dem Firmenareal installierten Photovoltaik-Module? Wie groß ist der Strombedarf der WWP im Jahr? Wie wird er gedeckt? Ein toller Austausch zwischen Besuchern und den Mitarbeitern, die die Gruppen betreuen, entsteht auf den Runden. Man merkt, dass sich das Gros der Anwesenden daheim durchaus schon mit Aspekten der Energiewende befasst haben muss.

Anna Lena Hastrich (2. von rechts) hat Schwester und Eltern mitgebracht.

Auch Karl-Heinz Feldmeier ist unter den Besuchern. „Ich war schon einmal beim Tag der offenen Tür bei den WWP – da war man mit den Elektro-Lkw hier noch ziemlich am Anfang“, berichtet er. „Und die haben sich inzwischen bewährt, habe ich heute schon erfahren. Für mich ist der Einblick heute sehr interessant“, fährt Feldmeier fort, „weil wir mit unserer Energieversorgung unabhängig werden müssen! Vom Öl und vor allem vom Ausland. Das ist der Grund, warum ich mich informiere, welche Lösungen es hier schon gibt. Wir müssen uns vor allem regional und mit alternativen Energien versorgen“, meint der in Mittelhof Lebende.

„Nach der Trocknung haben wir noch ungefähr zehn Prozent Wassergehalt in den Spänen“, führt Jan-Philipp Alhäuser derweil aus, der die Gruppe von Karl-Heinz Feldmeier übers Gelände lotst. Die laufenden Bauarbeiten für die zweite Sägelinie der WWP finden seine Zuhörer genauso faszinierend wie die sechs Schnelllader im firmeneigenen Ladepark, an denen die inzwischen sieben elektrischen WWP-Lkw „auftanken“, die Karl-Heinz Feldmeier besonders interessieren.

Stichwort Ladetechnik: Etwas weiter nutzt Marcel Melchior den Besuchertag in diesem Augenblick, um sich bei Markus Langenbach vom MANN-Team „E-Mobilität und Infrastruktur“ zu den Möglichkeiten kundig zu machen, die es für sein Vorhaben gibt: „Wir bauen derzeit ein Haus bei uns im Garten für meine Eltern. Die haben schon ein Elektroauto. Und mein nächster wird auch irgendwann ein Elektro werden. Da sind wir gerade in der Planung, wie wir die ganze Wallbox- und PV-Geschichte daheim am schlauesten anlegen.“ Das Gespräch am Stand von „MANN Energie“ habe ihm zu diesem Thema „definitiv“ viel gebracht, nickt Melchior: „Einiges wusste ich schon – aber es war, nachdem ich mich vorher schon etwas eingelesen hatte, sehr informativ, sich von einem Fachmann die Herangehensweise bestätigen zu lassen, die ich mir für unser Vorhaben vorgestellt habe.“ Durch das kostenlose Beratungsangebot habe sich der Weg zum Besuchertag für ihn gelohnt, urteilt der Bauherr.

Daniel Rahn erläutert die Siloanlage.

„Insgesamt haben wir 9.000 Tonnen Lagerkapazität für Pellets“, erläutert unterdessen Daniel Rahn, der mit einer weiteren, fast siebzigköpfigen (!) Gruppe auf einem nächsten Betriebsrundgang unterwegs ist. Tatsächlich sind alle Führungen während des gesamten Besuchertags bemerkenswert stark frequentiert. „Das ist gut ein Fünftel unserer Jahresproduktionsmenge“, setzt Rahn seine Erklärungen fort, „letztes Jahr haben wir 45.000 Tonnen Holzpellets gemacht. Wenn Sie zu Hause im Jahr vielleicht vier Tonnen verbrauchen, ist das die Menge, die wir hier in 20 Minuten pressen!“ Schmunzeln bei den konzentriert Zuhörenden um ihn herum.

Darunter ist Anna Lena Hastrich. Sie war im Vorjahr zum ersten Mal beim Besuchertag in Langenbach. „Meine andere Schwester, die heute nicht dabei ist, hat mich seinerzeit eigentlich dazu gebracht“, sagt Hastrich. Dieses Mal ist sie mit ihrer zweiten Schwester sowie den Eltern nach Langenbach gekommen, das Führungsangebot nehmen die vier quasi als gemeinsame Familienaktivität wahr. Zum einen wolle auch sie wissen, woher die Pellets für ihren heimischen Pelletofen genau kommen, antwortet Hastrich auf die Frage nach dem Grund für ihre Teilnahme. „Und ich fand letztes Jahr die Betriebsführung so interessant. In der ‚Wäller Energiezeitung‘ habe ich gelesen, dass dieses Jahr erneut Gelegenheit dazu besteht. Darum habe ich den anderen vorgeschlagen, mitzukommen – und da hat sich einer nach dem anderen dazu entschlossen.“

Anna Lena Hastrich stammt aus der Nähe von Westerburg. Die Grundschullehrerin ist ebenfalls „MANN Strom“-Kundin. Der regionale sowie der ökologische Aspekt seien für sie die Gründe, Strom und Pellets aus Langenbach zu beziehen, erklärt sie. „Aber auch die Qualität der Pellets überzeugt mich“, fügt sie hinzu. „Außerdem gefällt mir, was die hier für die Region, aber ebenso die Mitarbeiter machen.“ Darüber lese sie viel in der „Wäller Energiezeitung“ sowie im WWP-Newsletter, „und das überzeugt mich einfach. “

Carolin Cramers Betriebsrundgang ist inzwischen zu Ende und wieder am Ausgangspunkt zurück. Ihr Haus musste seinerzeit kernsaniert werden, schildert sie nach der Besichtigung. Sie muss dabei ein wenig lauter sprechen, denn im Hintergrund schnauft die 100-jährige Dampfwalze „Julia“ gerade ein weiteres Mal zu einer Runde mit mitfahrenden Besuchern los und pfeift schrill. „Eine neue Heizung brauchte ich auf jeden Fall – und Öl und Gas standen nicht zur Debatte“, fährt Cramer fort. Beim Heizen mit einer Wärmepumpe schreckte sie ab, dass das in einem kalten Westerwälder Winter am Ende zu viel Strom kosten könnte. „Deswegen sind es relativ schnell die Holzpellets geworden. Und mit einem Lieferanten hier direkt aus der Region kann einem eigentlich nichts Besseres passieren.“

Carolin Cramer lebt nur rund zehn Kilometer vom WWP-Pelletwerk entfernt. Die Führung übers Werksgelände habe ihr gut gefallen und ihr genau die Einblicke gegeben, die sie beim diesjährigen Besuchertag zu bekommen gehofft hatte, sagt sie.

Natürlich soll das Event bei aller sachlichen Information ebenso etwas Unterhaltung bieten, ja beides miteinander kombinieren. Das finden die Kinder von Marcel Melchior gut: Zusammen mit dem Elektroauto affinen Vater und ihrer Mutter sind sie jetzt zu den ausgestellten elektrischen Lkw gegangen. Dort dürfen sie ins Führerhaus eines E-„Volvo“ klettern und mit Fahrer Olaf eine Proberunde in der nahezu geräuschlosen Zugmaschine drehen.

Radelnd zu Beispielen der Energiewende

Einen kurzen Streckenabschnitt ihrer zweitägigen, insgesamt rund 220 Kilometer langen „Energiewendetour“ strampelt die „Equipe EuroDeK“ gar nicht selbst, sondern lässt sich fahren. Notgedrungen: Von Sankt Goarshausen nach Sankt Goar führt die Route der 16 teilnehmenden Radsportler über den Rhein, und über diesen ausschließlich eine Fährverbindung. Mit ihren vor der Ausfahrt blitzblank geputzten Rennrädern rollt die Truppe darum auf die von 374 PS angetriebene „Loreley VI“ und lässt sich von ihr hinüberbringen – ehe es vom anderen Ufer aus für die Radler lange bergan, hinauf auf den Hunsrück geht.

Die Equipe rollt auf die „Loreley VI“. Auch am zweiten Tag muss sie sich per Fähre über den Rhein fahren lassen, von Niederheimbach nach Lorch, um auf die rechte Uferseite zurückzukommen.

1977 ging es erstmals los: Radsportler aus den Vereinen RSG Montabaur und RSV Oranien Nassau wollten während ihrer Hobbyausübung zur europäischen Verständigung beitragen und fuhren zunächst vor allem in Frankreich herum (zumal Montabaur mit Tonnerre eine Partnerstadt im Burgund hat). „Der Wein war schön und die Franzosen hatten Spaß, wenn wir das deutsche Bier mitgebracht hatten“, blickt Organisator Uli Schmidt schmunzelnd auf die Anfänge der etwa 25-köpfigen Gruppierung zurück. Inzwischen ist die „Equipe EuroDeK“ als Radsportvereinigung für Europa, Demokratie und Klimaschutz unterwegs.

Startschuss in Boden.

„Heute haben wir uns hier zu einer unserer Thementouren zusammengefunden“, schildert Schmidt am Start einer zweitägigen Etappenfahrt durchs nördliche Rheinland-Pfalz, bei der es um Energie aus erneuerbaren Quellen und ganz konkrete, bereits realisierte Projekte gehen soll. „Das ist wohl unsere Spezialität: Wenn man mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt, ist das eine sehr schöne Sache. Aber wir wollen, wenn wir schon viel Fahrrad fahren, das mit wichtigen Themen verbinden.“

Die Sportler sind überzeugt, dass man das Thema Energiewende nicht länger vor sich her schieben kann. Darum besichtigen sie bei ihrer „Energiewendetour“ mehrere Vorzeigeprojekte, so wie beim Start auf dem Gelände der Firma „Goerg & Schneider“ in Boden.

Gerd Stein (links) erläutert den „Maxwäll“-Solarpark.

Auch Markus Mann, geschäftsführender Gesellschafter von „MANN Naturenergie“, ist zu diesem traditionsreichen Familienunternehmen der Tongewinnung und -verarbeitung gekommen. Denn zum einen sponsert MANN die „Energiewendetour“ der „Equipe EuroDeK“. Zum anderen sind sein Energieunternehmen und „Goerg & Schneider“ Teil eines bemerkenswerten „PPA“, eines „Power Purchase Agreements“, das für 15 Jahre geschlossen wurde und zu dem ein dritter Partner gehört: In diesem „Stromkaufvertrag“ ist geregelt, dass „Goerg & Schneider“ für ihre Produktion Grünstrom von der „Maxwäll-Energie Genossenschaft eG“ beziehen. Dieser 2012 gegründete Zusammenschluss hat momentan 623 Mitglieder und betreibt insgesamt fünf Solarparks, die zusammen 7,5 Millionen Kilowattstunden Ökostrom im Jahr liefern.

…und die Steigung auf den Hunsrück zieht sich…

Hier kommt das PPA ins Spiel: Liefert die Genossenschaft vorübergehend zu wenig Strom für den Momentanverbrauch von „Goerg & Schneider“, gleicht der Langenbacher Energieversorger MANN den Mangel über seinen eigenen Bilanzkreis aus – und zwar ausschließlich mit ebenfalls physikalisch gekoppeltem Ökostrom, der aus Wind-, Wasser- und Sonnenenergie sowie aus fester Biomasse gewonnen wird. Damit ist ganzjährig und witterungsunabhängig garantiert, dass die von „Goerg & Schneider“ benötigten Strommengen jederzeit als echter Ökostrom zur Verfügung stehen – gleich, ob er gerade in einem Solarpark der Genossen entsteht oder aus den anderen Quellen kommt.

…oben angekommen, gibt es erst einmal eine Pause vor der Weiterfahrt.

Umgekehrt ist „MANN Naturenergie“ in der Lage, einen etwaigen Überschuss aus den Solarzellen von „Maxwäll“ aufzunehmen und über den eigenen Bilanzkreis an andere Kunden weiterzuleiten. Das ist eine sinnvolle Lösung, denn der Solarstrom wird schließlich nicht immer in exakt der Minute bei „Goerg & Schneider“ gebraucht, wenn er gerade anfällt beziehungsweise nicht die komplette Menge, beispielsweise an einem sonnigen Sonntag, an dem in Boden jedoch nicht gearbeitet wird.

Apropos: Der Energiebedarf des Unternehmens ist enorm, wie dessen Geschäftsführer Florian Goerg ausführt: 24 Millionen Kilowattstunden (kWh) Gas braucht seine Firma und im Schnitt 3,4 Millionen kWh Strom im Jahr!

So passt es inhaltlich wirklich hervorragend, dass auf dem Gelände von „Goerg & Schneider“ der Startschuss zur „Energiewendetour“ gegeben wird – wenngleich danach zunächst nur wenige hundert Meter gefahren werden: Direkt nebenan liegt der 2013 gebaute „Solarpark Steinkaut“ der „Maxwäll eG“. Dort zeigt deren Vorstand Gerd Stein den Radsportlern die installierten 9.920 PV-Module à 250 Watt, spricht über die Haltbarkeit von 81 Wechselrichtern in dem Areal („Die wurden alle schon mindestens einmal getauscht“) und die autodidaktische Arbeit an den Anlagen. „Dabei bin ich eigentlich Lokführer von Beruf“, schmunzelt Stein. 2,14 Gigawattstunden Jahresleistung erzeuge der „Solarpark Steinkaut“ – das sei genug für 600 Durchschnittshaushalte, erläutert der „Maxwäll“-Vorstand.

Blick in die Heizzentrale.

„Ich mache das hier seit 15 Jahren mit“, erzählt Radfahrer Frank Schneider am Rande der Besichtigung in Boden. „Die Motivation ist einfach, mit der Gruppe mitzufahren – das macht Spaß. Da geht es rund, auch nach der Etappe… Und man hat die Europaidee dazu.“ Die Gruppierung habe, wegen des häufig angesteuerten Ziellandes, zunächst „Equipe France“ geheißen. „Aber wir haben uns umbenannt, denn die Demokratie gehört unbedingt zu Europa. Das Umweltbewusstsein passt ebenso – wir fahren Fahrrad nur mit Muskelkraft und nicht den ganzen Tag mit dem Auto herum, das Emissionen verursacht und Energie verbraucht“, so Schneider. Einmal im Monat treffe sich die Equipe neben den großen Themenfahrten wie der „Energiewendetour“ außerdem zu einer kleineren Ausfahrt in der heimischen Region, berichtet der 63-Jährige. „Das ist bisher immer super gewesen.“

Die von „MANN Naturenergie“ gesponserte „MANNschaft e. V.“ ist auf der Strecke, die die „Equipe EuroDeK“ bei der „Energiewendetour“ zurücklegt, übrigens ebenfalls sichtbar vertreten: Nicole Schäfer ist als Gastfahrerin im „MANNschafts“-Trikot zu den Radsportkollegen gestoßen. Zum einen wegen des sportlichen Aspekts, beschreibt sie. „Und ich bin beruflich selbst in der Energieberatung tätig – und wollte gerne sehen, was sich ‚hinter den Kulissen‘ der angesteuerten Projekte abspielt. Mir geht es darum, den Kunden nicht nur etwas zu erzählen, ohne selbst zu wissen und gesehen zu haben, wie etwas gemacht wird, woher etwas kommt. Die Tour ist mal eine andere Perspektive auf etwas, das uns alle betrifft – wir haben die Energiewende einfach schon sehr, sehr lang verschlafen. Und es wird Zeit!“, mahnt Schäfer.

Während der Etappenfahrt fällt insgesamt auf, dass es den Sportlern nicht nur um möglichst leichte Kettenblattschrauben, mittelhohe Carbonfelgen und die Faszination ihres Hobbys geht: Ganz offenkundig haben sich die Teilnehmer mit dem Thema Energiewende auch vorher schon befasst. Sie stellen an den Stationen der Zweitagesfahrt kundige Fragen, möchten von den jeweiligen Fachleuten vor Ort etwa wissen, warum bidirektionales Laden bei der Elektromobilität noch nicht klappt, was Netzbetreiber künftig ändern müssen, was die Umwandlung von Solarstrom in Wasserstoff bringt oder wie lange die PV-Module im Solarpark halten.

Gelegenheit zum Austausch gibt es während der zwei Tage und 220 Kilometer reichlich, sei es bei der „Naturenergie Heidenrod“ im Taunus, einem Laufwasserkraftwerk an der Lahn oder dem „Nahwärmeverbund für die Gemeinde Ellern“.

Mannebach ist ein beschauliches Dorf mit 42 Häusern.

Besonders fasziniert die Gruppe auch das Projekt der Genossenschaft „Energie für Mannebach“. In dem kleinen Hunsrück-Dorf leben 105 Menschen in 45 Häusern. 18 davon sind derzeit an die rund 950 Meter Nahwärme-

Leitung angeschlossen, heizen mit dem 70 Grad heißen Wasser, das darüber in den Eigenheimen ankommt. Um Wärme beziehen zu können, muss man Mitglied der Genossenschaft sein. Sie wurde 2012 gegründet, und seit der Inbetriebnahme der Anlage im Dezember desselben Jahres konnte der Preis für die Kilowattstunden Wärmeenergie konstant bei 8,9 Cent gehalten werden.

Wolfgang Wagner ist Vorstand der „Energie für Mannebach eG“ und war zur Gründungszeit Ortsvorsteher des wie fünf weitere Ortsteile zur 2.000-Einwohner-

Gemeinde Beltheim gehörenden Dorfes. In dessen Mitte wird gerade das denkmalgeschützte alte Schulhaus saniert, anschließend soll es ebenso an das Nahwärmenetz angeschlossen werden. Das böte durchaus Kapazität für insgesamt 26 oder 27 Gebäude, führt Wagner aus. Allerdings scheitern Neuanschlüsse potenzieller Interessenten an den inzwischen horrenden Baukosten: „Die Erdarbeiten sind nicht mehr zu bezahlen“, legt Wagner die Stirn in Falten. Zwei, drei Interessenten im Ort in der Verbandsgemeinde Kastellaun, die nach der Energiekrise in Folge des Ukrainekrieges gerne hinzugestoßen wären, hätten Angebote über 20.000 Euro dafür erhalten. „Ohne ein Rohr im Graben, ohne Hausanschluss!“, schüttelt Wagner ungläubig den Kopf.

Je 250 Kilowatt leisten die beiden Kessel der Mannebacher Energiegenossen. Verfeuert werden Hackschnitzel. Bevor die Brenner gekauft und installiert wurden, fand sich ein Arbeitskreis von zunächst vier Leuten aus dem Dorf, besichtigte Anlagen in der Rhön oder in der Eifel. „Es gab ja noch nicht viel – keine Energieagentur, nichts“, erinnert sich Vorstand Wagner. Die Ölkrise und der Wille, selbst aktiv Umweltschutz betreiben zu wollen, seien seine Beweggründe gewesen. „Es geht darum, nicht ‚man könnte‘, ‚man müsste‘ zu sagen – wir haben etwas Konkretes gemacht!“

Wagner fährt ein Elektroauto, und vom Öl müssten wir wegkommen, betont er und berichtet von einer 800-Kilometer-Fahrt per E-Bike zur in Berlin lebenden Tochter. „Ich hatte mir immer vorgenommen, sie mit dem Rad zu besuchen, wenn ich mal Rentner bin – das habe ich jetzt gemacht“, lacht er. Er trägt ein T-Shirt, das neben einem „Berlin“-Aufdruck Fahrräder zieren.

Kein Wunder, dass sich die „Equipe EuroDeK“ hier nach der Ankunft ausgesprochen wohlfühlt: Auf dem Tisch steht zum Empfang frisch gebackener, noch warmer Apfelkuchen aus dem Gartenlauben-Ofen. Dazu wird selbstgepresster Apfelsaft aus eigenen Bio-Früchten gereicht. Hinter der Heizzentrale wächst allerhand Gemüse, Sonnenblumen recken die Hälse nach der Spätsommer-Sonne. Dorfidylle pur.

Auf dem Dach der Heizzentrale sind PV-Module installiert, sie liefern 30.000 kWh jährlich. Davon verbrauchen die Kessel der Genossenschaft etwa 9.000, der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die Genossen überlegen Wolfgang Wagner zufolge, ob sie sich einen Stromspeicher zulegen, damit sie ihren eigenen PV-Strom künftig auch in der Nacht für den Betrieb des Heizhauses (für Motor und Pumpe) verwenden können.

Und während der Apfelkuchen mundet, die Hackschnitzelheizung nebenan sonorig surrt, nutzen die die „Energiewendetour“ Fahrenden abermals die Gelegenheit, sich mit einem Praktiker der Energiewende rege auszutauschen – obwohl sie ja bereits die 1.600 Höhenmeter der Tagestour in den Beinen haben: „Wie groß sind die Wärmeverluste im Nahwärmenetz?“ „Wie ist die CO2-Bilanz der Heizung insgesamt?“

Uwe Schmalenbach

Dreimal dabei – dreimal vorn

Sommerzeit – Fahrradzeit! Längst ist sogar im bergigen Westerwald die Fortbewegung auf zwei schmalen Reifen für viele nicht nur Freizeitspaß, sondern ein Verkehrsmittel auf dem Weg zum Job oder beim Einkaufen. Die Aktion „Stadtradeln“ will – am besten ganzjährig – noch mehr Menschen fürs Fahrrad begeistern und dessen klimaschonende Wirkung herausstellen. Dazu wird die Kampagne alljährlich vom „Netzwerk Klima-Bündnis“ als dreiwöchiger Wettbewerb initiiert, bei dem es darum geht, in Einzel- und Teamwertungen möglichst viele Radkilometer zusammenzubekommen. Die Verbandsgemeinde Bad Marienberg hat sich 2024 zum dritten Mal an der Initiative beteiligt. Und ebenfalls zum dritten Mal in Folge heißt dort der Gewinner: „Die MANNschaft e. v.“

Fototermin für lokale Medien mit dem Verbandsbürgermeister Andreas Heidrich und Touristikerin Kerstin Schmidt.

„Wir haben hier in der Verbandsgemeinde zahlreiche aktive Radler, die in allen drei Jahren beim ‚Stadtradeln‘ dabei gewesen sind und häufig ohnehin, auch außerhalb der Aktionszeit, viel Rad fahren. Die ‚MANNschaft‘ war ebenfalls immer dabei – und hat auch immer gewonnen“, schmunzelt Kerstin Schmidt von der Tourist-Information Bad Marienberg.

In der Teamwertung lagen die von „MANN Naturenergie“ unterstützten Ausdauersportler ebenso vorn wie im Einzelwettbewerb mit ihrem Teammitglied Marek Ermert. 279 registrierte Fahrten hat die „MANNschaft“ in die Wertung eingebracht und mit 25 Aktiven stolze 9.038 Kilometer gestrampelt. Pro Kopf waren das durchschnittlich 362 Kilometer im Aktionszeitraum.

In ganz Rheinland-Pfalz hatten sich 2024 124 Kommunen beteiligt. Landesweit 482.293 registrierte Fahrten ergaben 6.333.125 Kilometer – Resultat von so viel Bewegung ist neben dem Spaß und der gesundheitlichen Wirkung eine CO2-Vermeidung von 1.051 Tonnen im Bundesland, in dem alles in allem 31.752 Menschen an den Start gegangen sind.

Zurück in die Verbandsgemeinde Bad Maienberg: Dort sind 36.571 Kilometer gefahren worden und 148 Menschen beteiligt gewesen. Es könnten gleichwohl zukünftig noch deutlich mehr werden. Verbandsbürgermeister Andreas Heidrich (SPD) wünscht sich dazu, dass es neben dem – nach seinen Worten sehr gut ausgebauten – Netz an touristischen Radwegen in der Region mehr Alltagsradwege geben würde. Dann könnten seiner Meinung nach mehr Westerwälder das Auto häufiger stehenlassen und stattdessen das Rad wählen – selbst wenn es gerade nicht ums „Stadtradeln“ geht. Das E-Bike habe dem Radfahren als Fortbewegungsart speziell im hügeligen Oberen Westerwald aber ohnehin einen Schub für den Alltag gegeben, ergänzt Touristikerin Schmidt.

Die „MANNschaft“ tritt selbstverständlich rein sportlich motiviert ohne elektrische Unterstützung in die Pedalen. Neben solchem Sportsgeist kann Gemeinschaftssinn – auch außerhalb von Sportler-Teams – ebenso eine gute Motivation sein, wie das Beispiel der Evangelischen Kirchengemeinde Kirburg zeigt: Sie ist mit drei Generationen beim „Stadtradeln“ unterwegs gewesen und beachtliche 6.839 Kilometer bewältigt. Dieses Ergebnis reichte in der Teamwertung sogar für Platz zwei hinter der „MANNschaft“.

Mitglieder der „MANNschaft“ mit den Urkunden, die es für den jeweils ersten Platz in der Team- und Einzelwertung gab.

Neue Teile im Wochentakt

Kräne, Bagger, viele Handwerker: Beinahe hat man das Gefühl, im Moment bleibe auf dem Betriebsgelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) kaum ein Stein auf dem anderen. Tatsächlich ist der Eindruck nicht völlig falsch: In diesen Wochen wird die größte und komplexeste Einzelinvestition der bisherigen, fast 100-jährigen Geschichte des Familienunternehmens umgesetzt. Darüber sprach Uwe Schmalenbach mit Prokurist und Projektingenieur Daniel Rahn sowie dem Abteilungsleiter des WWP-Sägewerks, Jan-Philipp Alhäuser.

Daniel Rahn (links) und Jan-Philipp Alhäuser wollen im Dezember das erste Holz auf der neuen Sägelinie schneiden. Fotos: Schmalenbach

Es gibt bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) ja häufiger Baustellen, da oft vorhandene Anlagen optimiert werden. Die Bauarbeiten, die man derzeit sieht, scheinen jedoch ungewöhnlich umfangreich zu sein…

Jan-Philipp: Es sind momentan ja auch zwei Baustellen. (lacht)

Daniel: Einerseits bauen wir eine zweite Sägelinie auf unserem Betriebsgelände. Und als Folge daraus brauchen wir andererseits mehr Lagerfläche für das Rundholz, für andere Holzsortimente – sprich: Wir müssen auch unseren Rundholzplatz erweitern. Das ist die von Jan-Philipp angesprochene zweite Baustelle.

Wofür ist es überhaupt erforderlich, eine zweite Sägelinie zu bauen?

Daniel: Das ist ein Schritt innerhalb des Gesamtkonzeptes, mit dem wir uns zukunftsfähig machen. Wir wollen uns damit dem Markt weiter öffnen und nicht nur, wie bislang, dünne Durchmesser sägen, sondern unser Portfolio erweitern und künftig ebenso Starkhölzer schneiden können – bis hin zu einem Meter Durchmesser! Der Stamm muss allerdings erst einmal aufs Gelände kommen. (schmunzelt)

Jan-Philipp: Zudem hat eine Bandsäge, wie sie die neue Sägelinie bekommen wird, viele Vorteile.

Zum Beispiel welche?

Jan-Philipp: Wir erwarten damit eine deutlich höhere Ausnutzung des Holzes. Wir erhalten „mehr Schnittholz pro Rundholz“ im Vergleich zur herkömmlichen Sägelinie. Wir können außerdem weitere Produkte anbieten, wir können Laubhölzer schneiden, wenn es erforderlich ist. Wir werden variabler.

Bisher verarbeiten die WWP ausschließlich Nadelhölzer?

Jan-Philipp: Ja.

Und in der Zukunft ebenso Laubholz, weil Nadelhölzer wie die Fichte hier im Westerwald durch den Klimawandel verschwinden?

Daniel: Wir wissen ja heute noch nicht, was in den kommenden Jahren im Wald gefällt und was neu angepflanzt werden wird. Mit der neuen Technik sind wir flexibler, um uns veränderten Situationen anpassen zu können.

Was ist für diese Flexibilität jetzt alles auf den besagten Baustellen zu errichten?

Daniel: Als wir uns 2016 dazu entschlossen hatten, überhaupt eine (erste) Sägelinie zu bauen – damals fiel die Wahl auf unsere stofflich-energetisch optimierte Sägeanlage (SEO) –, war unsere Idee, eine solche Schwachholzsägelinie einige Zeit später in identischer Bauart in einer zweiten Linie nebendran in die Halle zu stellen. Diese Planung hat sich durch den Klimawandel verändert, weil die Schwachhölzer, wie man sie dafür braucht, zusehends weniger im Markt vorhanden sind. Darum weichen wir nun von dem alten Plan ab und bauen die Blockbandsäge. Damit geht auch die besondere Schwierigkeit unserer derzeitigen Baustellen einher.

Worin besteht die?

Daniel: Die Halle war fertig, das Umfeld wurde daran angepasst. Jetzt brauchen wir aber auf einmal mehr Platz für eine zweite Linie, als wir damals vorgesehen hatten; die neue Säge ist vier- bis fünfmal so groß wie die vorhandene SEO! Dementsprechend müssen wir die bestehende Halle vergrößern. Und es ist eben nicht einfach ein größeres Gebäude „auf der grünen Wiese“ neu zu bauen. Stattdessen bauen wir im Bestand. Das ist die Schwierigkeit. Wir haben dabei wenig Platz, müssen mit dem vorhandenen Raum zurechtkommen. Das ist im Moment unsere Aufgabe, das passend zu koordinieren. Dazu müssen wir uns viel Detailarbeit angucken.

Eine Schwierigkeit: Der bisherige Sägewerksbetrieb und die Baumaßnahmen müssen im wahrsten Wortsinn parallel erfolgen.

Könnt Ihr Beispiele für solche Details nennen, die es kompliziert machen?

Jan-Philipp: Hauptsächlich die Schnittstellen zwischen unseren einzelnen Maschinenlieferanten. Denn wir haben ja nicht nur einen einzigen, sondern fünf oder sechs. Quasi zwischen allen Einzelteilen gibt es eine Schnittstelle.

„Einzelteilen“?

Jan-Philipp: Wir haben eine Rundholzaufgabe, die entrindet und den Wurzelanlauf reduziert. Das allein sind schon zwei verschiedene Hersteller. Als nächstes die eigentliche Sägelinie. Danach geht es auf das sogenannte Stapelwerk zum Abstapeln des Schnittholzes. Und die „Entsorgung“ der Sägenebenprodukte ist ein weiteres, eigenes Kapitel.

Daniel: Das sind die Schnittstellen mit den Lieferanten. Die anderen Schnittstellen sind die in unserem Betrieb: Wir müssen die Verbindung zu unserem Rundholzeingang schaffen, die Schnittstelle zur Bretterabstapelung und Nachschnittsäge herstellen. Ebenso die Stromanbindung: Das sind riesig große Maschinen, die einiges an Änderungen an unserer internen Strombereitstellung erfordern. Dafür benötigen wir etwa eine komplett neue Trafoanlage. Außerdem sind da noch die Wege im bestehenden Unternehmen.

Was meinst du damit?

Daniel: Zum Beispiel müssen wir mit der neuen Sägelinie an einer Stelle die alte Sägelinie kreuzen. Da läuft ein „Kratzkettenförderer“ durch die bestehende Sägelinie förmlich mitten hindurch! Wir müssen dazu ein Loch in eine Verblechung schneiden, weil dort ein zweiter Förderer kreuzt. Und solche Punkte haben wir halt mehrere. Da muss man gucken: Passt das? Passt das nicht? Klar, auf dem Papier, in Plänen passt es, doch wie ist es montierbar? Die alte Halle wurde nach und nach logistisch sinnvoll aufgebaut, als sie neu errichtet wurde. Wenn ich jetzt aber irgend eine schwere neue Maschine da einbringen will, haben wir entweder die Wahl, alles Vorhandene erst einmal zurückzubauen, was allerdings bedeuten würde, dass unser Betriebsprozess lange ruhen müsste. Die Alternative ist halt, mit Kompromissen zu planen, so dass die alte Linie weiterlaufen kann, die Bauarbeiten drumherum dennoch erfolgen können.

Welche Kompromisse sind dazu notwendig?

Daniel: Beispielsweise müssen manches Mal Löcher ins Dach der bestehenden Halle geschnitten und kurzzeitig das Dach aufgedeckt werden, damit die Maschine hineingehoben werden kann. Anschließend muss das Dach wieder geschlossen werden. Das bedarf viel Koordination…

Daniel Rahn markiert jene Stelle, an der die neue die alte Sägelinie kreuzen muss.

Vorhin fiel das Stichwort „Entsorgung“: Wird es bei der Blockbandsäge ebenfalls so sein, dass die Sägenebenprodukte wie Holzspäne über eben diese Entsorgungseinrichtungen einer sinnvollen Weiterverwertung zugeführt werden können?

Jan-Philipp: Ja. Wir setzen dabei auf ein innovatives Produkt der Firma Rudnick & Enners. Das Ding nennt sich „Twin Chipper“.

Was ist das und was tut es?

Jan-Philipp: Das ist quasi eine Kombination aus einer Hammermühle und einem Hacker, die hacken und mahlen in einem kann, so dass hinten im Prinzip ein trocknungsfähiger Span herauskommt. Und da wir trotz aller Veränderungen wohl weiter hauptsächlich Nadelholz schneiden werden, gehen diese Späne direkt in die Pelletproduktion.

Ist das bisher nicht auch schon so?

Jan-Philipp: Ja, doch zukünftig ohne Umwege.

Umwege?

Jan-Philipp: Bisher sieben wir das Material, müssen es noch einmal zerkleinern in der Hammermühle oder in einem separaten Hacker, wenn wir übergroße Stücke haben. Das entfällt dann alles.

Die Sägespäne gehen somit direkt auf den Bandtrockner, mit dem ihnen vor dem eigentlichen Pressen zu Westerwälder Holzpellets noch Feuchtigkeit entzogen wird?

Daniel: Genau richtig. Wir machen also mit den Sägenebenprodukten nichts anderes als bisher, es ist derselbe Zweck, die Nutzung für hochwertige Pellets. Aber wir lernen dazu und wollen immer optimieren, und künftig ist die Spänenutzung eben optimiert.

Würde man aus den Sägenebenprodukten von Laubholz eigentlich genauso Pellets machen können?

Daniel: Ja, kann man, aber Laubhölzer sind gänzlich anders anzupacken als unsere Nadelhölzer.

Was unterscheidet sich?

Daniel: Nun, etwa wie man die Presskanäle in den Matrizen gestaltet, durch die die Späne zu Pellets gepresst werden: Wie lang sind die? Wie laufen sie konisch zu? Es gibt quasi für jede Holzart eigenes Know-How, das ist ein richtiges Handwerk für sich!

Noch einmal: Aber möglich wäre es, aus den Laubhölzern Pellets zu machen?

Daniel: Kein Problem! Es taucht dabei oft die Frage auf, welcher Pellet einen höheren Heizwert hat: der aus Nadelholz oder der aus Hartholz?

Knapper Zeitplan: Noch ist nicht zu erkennen, das auf diesem Fundament bald schon der Bandsägewagen laufen wird.

Und?

Daniel: Es ist in der Tat so, dass wir die Dichte des gepressten Materials im Pellet durch den Pressvorgang selbst bestimmen. Und damit den Heizwert, deswegen sind wir eigentlich neutral bei diesem Vergleich. Sprich: Für den WWP-Kunden ist es also egal, aus welchem Material seine Holzpellets sind, sie haben später immer dieselbe Qualität und dieselben Eigenschaften beim Heizen. Man hat halt bisher einfach Nadelholz verwendet. Auch deswegen, weil wir bis jetzt sehr viel Schnittholz für die Verpackungsindustrie liefern. Und die möchte Nadelholz haben, denn in ein Eichen-Brett einen Nagel einzuschlagen, geht nicht so leicht… (schmunzelt)

Und deswegen werden Nadelhölzer weiter das Gros im WWP-Sägewerk ausmachen?

Daniel: Richtig, doch wenn im Wald mal eine Reihe Buche oder Ahorn dazwischen steht, können wir die halt ebenfalls mitnehmen. Die schneiden wir dann allerdings nicht zu Brettern für die Verpackungsindustrie, sondern daraus werden Bohlen gemacht – zur Weiterverarbeitung in Schreinereien, die dann einfach Bohlen bei uns ordern und nicht einzelne Bretter.

Eben haben wir noch die zweite derzeitige Baustelle angesprochen: Sie ist gleichermaßen wegen der neuen Sägelinie erforderlich?

Jan-Philipp: Ja, um den Rundholzsortierplatz als Lagerfläche auszuweiten. Es ist ja so: Bedingt durch den Anbau am Sägewerk verlieren wir an der Stelle eine gewisse Fläche an unserem bestehenden Platz und müssen Holzpolter verlegen. Denn obwohl wir für die Bandsäge fast gar nicht mehr vorsortieren müssen – außer in der Länge –, brauchen wir einen gewissen Vorrat, da wir kein „Online-Sägewerk“ sind und das Holz, das gerade vom Lkw kommt, nicht direkt schneiden können. Bei der bestehenden Sägelinie geht das sowieso nicht.

Warum nicht?

Jan-Philipp: Da wird erst sortiert nach Qualität, Stärke und Länge des Rundholzes. Das ist mit der Bandsäge so nicht mehr notwendig. Da können wir, wenn wir zum Beispiel im einen Moment 300 Millimeter als Mittendurchmesser schneiden, im nächsten 900 schneiden oder auch 1.000 – das ist ganz egal.

Wie funktioniert das? Muss der Bediener die Säge auf jeden Stamm neu einstellen?

Täglich gibt es auf den Baustellen neuen Abstimmungsbedarf für die beiden WWP-Mitarbeiter.

Jan-Philipp: Nein! Das ist ein interessanter Punkt, den du ansprichst: Wir haben in eine 3-D-Eingangsmessung im Werk investiert und eine Wiedererkennung auf dem Bandsäge-Wagen. In einem Zwischenschritt passiert eine automatische Berechnung. Dabei legt der Computer ein mögliches Schnittbild in den jeweiligen Stamm hinein, visualisiert es dem Bediener, und die Säge schneidet es vollautomatisch aus dem Stamm. Der Mitarbeiter muss nichts machen, außer zu bestätigen, dass der Stamm richtig eingespannt ist. Der Bediener wird mit der neuen Technik also auch stark entlastet.

Daniel: Somit erhalten wir eine ideale Schnittholzausbeute aus einem Stamm heraus. Was im Sinne der Nachhaltigkeit natürlich vernünftig ist.

Bleibt nur noch eine Frage zum Schluss: Wann wird das alles fertig sein? (Daniel und Jan-Philipp lachen)

Daniel: Im Dezember wird das erste Holz gesägt. Das ist unser Ziel. Aber das ist jetzt alles sehr stramm getaktet bis dahin.

Jan-Philipp: Wir erwarten beinahe im Wochentakt Teile für die neue Linie.

Daniel: Genau. Schon in einer Woche steht idealerweise eine neue Halle – von der du heute noch gar nichts siehst. Das ist schon alles wirklich krass! Doch letztlich dient diese ganze Mühe dazu, das Thema Energiewende und unseren sinnvollen Umgang mit einem natürlichen und zugleich dem einzig nachwachsenden Rohstoff weiter voranzubringen, wofür unser Unternehmen seit jeher steht.

Sonne für die Solarzellen – und Abels‘ Tomaten

„Ich mag am liebsten Tomaten“, sagt Christoph Abels und schwärmt von deren unvergleichlichem Geschmack, wenn sie aus dem eigenen Garten stammten. Den habe halt kein Supermarkt-Gemüse. „Die hier könnten allerdings noch etwas Sonne vertragen“, fügt seine Frau Angelika an, während sie die noch eher kleinen grünen Früchte mustert. Die Tomatenpflanzen ragen vor einer massiven Holzwand empor, die aus Polarkiefer gefertigt wurde – so wie das ganze sehenswerte Haus der Abels in Stein-Wingert. Das eigentlich Bemerkenswerte sind hier jedoch nicht die kräftigen Tomatenpflanzen, sondern das Dach des Gebäudes. Das leuchtet gerade wunderbar gelb.

Jedes Jahr sehe das Dach anders aus, beschreiben Christoph und Angelika Abels. Auch ganz in Mohnrot sei es schon gehüllt gewesen.

„Das war eine tolle Erfahrung, es ging völlig unkompliziert. Innerhalb weniger Tage hatten wir das Geld auf dem Konto“, lobt Christoph Abels. Das Geld, von dem der Hausherr spricht, ist eine Förderung gewesen, mit der GSL, das „Grüner Strom Label“ (siehe Kasten) eine Photovoltaikanlage finanziell unterstützt hat, die das Ehepaar in Stein-Wingert auf dem Dach seines Holzhauses im vergangenen Jahr montieren ließ.

„MANN Naturenergie“ ist ein GSL-Partner der ersten Stunde und vermittelte den Zuschuss für die PV-Anlage. Denn bei dem Westerwälder Energieversorger sind die Abels‘ seit einigen Jahren Stromkunden, haben den Tarif „MANN Cent“ gewählt. Bewusst, wie sie herausstellen. Dieser ist vom unabhängigen Ökolabel GSL wiederholt zertifiziert worden. Dadurch wird nicht nur echter Ökostrom garantiert, sondern ein Teil des Verbrauchspreises für den Ausbau der erneuerbaren Energien abgezweigt. So wie im Beispiel der Förderung der Solaranlage von Christoph und Angelika Abels, die aus eben diesem GSL-Topf stammt.

Christoph und Angelika Abels haben ihr begrüntes Holzhaus selbst geplant und gezeichnet. Sie bewohnen das 100 Quadratmeter große Erdgeschoss, während die Räumlichkeiten in der ersten Etage nach dem Auszug der erwachsenen Töchter für Gäste hergerichtet wurden. Fotos: Schmalenbach

Allerdings benötigen die Hausbesitzer nur sehr wenig zugekauften „MANN Strom“, sind so gesehen also „schlechte“ MANN- Kunden. Denn die PV-Anlage auf dem Polarkiefer-Haus leistet 9,6 Kilowatt. Ein schon recht ordentlich dimensionierter Speicher kann 8,8 Kilowattstunden der selbsterzeugten elektrischen Energie für Momente aufbewahren, in denen die Sonne nicht scheint. So sind Abels‘ im laufenden Jahr bereits seit Februar autark, haben seither keinen „MANN Strom“ mehr verbraucht. „Obwohl 2024 bisher kein gutes Sonnenjahr ist, kommen wir gut zurecht“, betont Christoph Abels.

Während der gebürtig aus dem Hachenburger Stadtteil Altstadt Stammende das schildert, schwirren über seinem Kopf allerhand Insekten auf den insgesamt 240 Quadratmeter großen Dachflächen herum, landen ein paar Meisen darauf, hüpfen Rotschwänzchen und Kleiber umher. Unzählige Färberkamillen hüllen das Dach in tiefes Gelb. Einige Schnittlauchhalme strecken sich dem Himmel über der Kroppacher Schweiz entgegen, Johanniskraut schaukelt im Westerwälder Sommerwind, Dutzende Karthäusernelken lassen ihr sattes Pink leuchten. Denn auf dem Holzhaus wurde eine Dachbegrünung angelegt – seinerzeit eines der ersten Projekte dieser Art im ganzen Westerwald.

Es wächst wahrlich eine Menge auf dem Haus, dort oben herrscht Leben. Bei Regen füllt das Gründach zudem eine Zisterne, die die Abels‘ ebenfalls besitzen und aus der beispielsweise die Toilettenspülungen im Haus umweltfreundlich gespeist werden.

„Die hier haben sich vom Dach aus selbst ausgesät“, ruft Angelika Abels herüber und deutet auf einige Karthäusernelken, die es in die Beete des sehenswerten und von ihr liebevoll gepflegten Gartens geschafft haben. „Genauso wie der Sandthymian hier, der ist auch vom Dach.“

Diese Karthäusernelken haben es vom Dach ins Beet geschafft.

1.200 Quadratmeter misst das Grundstück, das Christoph und Angelika Abels für ihr Haus in Stein-Wingert gekauft haben. Der Garten und geschmackvoll gestaltete Terrassen nehmen einen großen Teil davon ein. Der Garten besteht indessen nicht allein aus herrlichen Blumenbeeten, sondern dient ebenso als Nutzgarten. Und selbst zwischen den vielen Blumen findet man einiges zum Abpflücken und Essen. „So wie diese Erdbeeren hier. Die habe ich in diesem Jahr einfach einmal dazwischen gesetzt“, schmunzelt Angelika Abels und zupft einige rote Früchte ab.

Angelika Abels pflückt sich einige Erdbeeren, die zwischen den Blumen wachsen.

Im Jahr 2000 wurde das Haus gebaut. Im Jahr zuvor reisten Abels‘ nach Norwegen (die in Stein-Wingert verbaute Polarkiefer stammt aus Finnland), um sich Holzhäuser anzusehen. Dabei hatte das Paar damals bereits ein Hausprojekt hinter sich, als es, nach anderen Stationen auf dem Lebensweg, 1984 wieder zurückkehrte in den heimischen Westerwald und in Bölsberg ein altes Bauernhaus erwarb. Und es aufwändig und mit viel eigener Arbeit herrichtete.

„Ich mag Holz einfach und arbeite auch gerne damit“, erzählt Christoph Abels. Er ist gelernter Krankenpfleger, inzwischen Rentner. Doch besonders in der Zeit, in der er mit Frau und zwei heute 43 und 41 Jahre alten Töchtern in Bölsberg lebte, da habe er viel über sein Lieblingsmaterial gelernt, sich unter Anleitung von Profi-Handwerkern einiges angeeignet. „Und als wir das Bauernhaus 15 Jahre lang saniert hatten, da sagte er: ‚Jetzt will ich mal ein neues Haus‘“, lacht Angelika Abels. Den passenden Bauplatz dafür entdeckten sie und ihr Mann bei einem Spaziergang in Stein-Wingert.

Dass das neue Haus erst im vergangenen Jahr eine Photovoltaikanlage erhalten habe, sei der Tatsache geschuldet, dass sich lange Zeit kein Handwerksbetrieb getraut habe, eine solche auf ein Gründach zu bauen. „Sonst hätten wir PV schon vor 15 Jahren bekommen“, erklärt Christoph Abels, der hinzufügt, dass er und seine Frau aus Familien stammten, die schon immer sehr naturverbunden gewesen seien.

„Wir fanden auch das in einem Holzhaus sommers wie winters optimale Raumklima gut. Und es ist von Grund auf eine biologische Sache, mit unbehandeltem Innenholz“, führt Angelika Abels weitere Gründe an, warum sie sich für ein Holzhaus und das Gründach entschieden hätten. Im Winter werde Wärme gut gehalten, im Sommer bleibe es selbst unter den Dachschrägen angenehm kühl. Die Dachbegrünung sei dabei eine zusätzliche Isolierschicht. Und außerdem, unterstreicht die Hausherrin, gebe man mit der Dachbegrünung der Natur eine wertvolle Fläche zurück, die jedes Haus für seine Grundfläche nun einmal „verbraucht“.

Nicht alle in Stein-Wingert fanden die Idee der Zugezogenen von Anfang an gut, ein ungewöhnliches, auffälliges und irgendwie „buntes“ Gebäude im Ort zu errichten. „Nein, manche wussten nicht gleich, was sie davon halten sollten, dass wir hier ein solches Vorhaben mitbrachten“, zwinkern Abels‘. „Doch später waren alle begeistert, einfach, weil es toll aussieht“, berichtet Angelika Abels. Inzwischen sei es nichts Ungewöhnliches mehr, dass in Sichtweite vorbeilaufende Wanderer zum Fotografieren des Objektes stehenblieben. „Die ersten Jahre war das hier fast ein Wallfahrtsort“, lacht Christoph Abels.

Der Himmel reißt plötzlich auf, die Sonne kommt heraus, „knallt“ sommerlich-heiß auf die Große Nister unten im alten Ortskern von Stein-Wingert. Gleißend funkelt der Fluss. Viele fleißige Hummeln nutzen das schöne Wetter und scheinen noch eifriger als zuvor von Färberkamille-Blüte zu Färberkamille-Blüte über Abels‘ Gründach zu summen. Und die Photovoltaik-Module nebenan produ- zieren jetzt maximal Strom für den Speicher. Auch die Tomatenpflanzen bekommen viele Sonnenstrahlen ab – gewiss wird Christoph Abels den Geschmack seines Lieblingsgemüses bald schon genießen können. Und sich unterdessen beim Blick aufs mit einer entsprechenden App ausgestattete Smartphone darüber freuen, wie viele Kilowattstunden „sauberen“ Ökostrom er und seine Frau mit dem kleinen Kraftwerk auf dem gelb leuchtenden Gründach in diesem Sommer selbst erzeugt haben.

Uwe Schmalenbach

Ein wunderbares Gefühl: Lucy hat sich getraut

Vor einer Woche ist Lucas Benten noch auf der olympischen Distanz beim „Löwentriathlon“ in Freilingen gestartet, einem „richtigen“ Triathlon. Doch heute macht er beinahe einen deutlich „kaputteren“ Eindruck – obwohl nicht einmal eine Zeitnahme stattfindet. Benten ist eines von vier Mitgliedern des von „MANN Naturenergie“ gesponsorten „MANNschaft e. V.“, die zum „1. integrativen Triathlon“ in Hausen gekommen sind. Um jenen zu helfen, die ihn nicht alleine bewältigen können. Gerade geht er auf die Radstrecke des Wettbewerbs – allerdings mit einem besonderen Fahrrad. Und zu zweit.

Lucas Benten (rechts) von der „MANNschaft“ hilft einem der Teilnehmer, die alleine nicht Rad fahren können, diese Disziplin dennoch zu absolvieren. Fotos: Schmalenbach

„Ich glaube, heute ist es hier für fast jeden Teilnehmer eine echte Herausforderung gewesen – aber es hat eigentlich jeder sehr gut hinbekommen“, wird Benten am Ende eines herrlich fröhlichen, bunten Vormittags sagen. Denn der integrative Triathlon im und um das „Wiedtalbad“ in Hausen, zu dem der „Integrative Sportverein Heinrich-Haus“ eingeladen hat, will genau das: verbinden, Spaß an der Bewegung wecken und erhalten, Menschen mit ganz unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Fitnessleveln einfach ein positives Erlebnis ermöglichen und dabei Vielfalt und Miteinander fördern.

Gemeinschaft und positive Erfahrungen vom Aufwärmen bis zur Siegerehrung für alle – unabhängig vom Fitnesslevel.

„Sport verbindet – gemeinsam ans Ziel“ ist das Motto, unter dem Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam an diesem Ereignis teilnehmen. Wer eine Pause braucht, nimmt sie sich – kein Problem, anders als sonst in unserer leistungsorientierten Konsumgesellschaft.

Gunnar Clemens arbeitet beim „Heinrich-Haus“, das in Neuwied, Bendorf-Sayn, Höhn, Kettig, Koblenz und St. Katharinen rund 2.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene begleitet und fördert. Die gemeinnützige GmbH gehört wiederum zur Gruppe der „Josefs-Gesellschaft“. Das katholische Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft beschäftigt nach eigener Darstellung mehr als 10.000 Mitarbeiter und ist Träger von 38 Beteiligungsgesellschaften für Menschen mit Behinderungen, Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern.

Darunter die Werkstätten für behinderte Menschen in St. Katharinen. Clemens ist dort Werkstattleiter – und in der Freizeit ebenso Mitglied der „MANNschaft“ wie Lucas Benten. Der Hobby-Triathlet hatte die Idee zum integrativen Wettbewerb in Hausen. Er berichtet, dass man erst acht Wochen zuvor in die finale Vorbereitung des Tages eingetreten sei. „Und wir haben gehofft: vielleicht kommen 60, 70 Teilnehmer – und jetzt haben wir stolze 150 hier! Das ist total überwältigend“, strahlt Clemens.

Wie bei jedem richtigen Triathlon geht es auch bei der integrativen Veranstaltung zuerst ins Wasser.

Die 150 Sportler sind bereits während des Aufwärmens zu Musik wahrlich mit Feuereifer bei der Sache. Gestartet wird anschließend in sechs Gruppen, die erste ist gerade am Schwimmbecken: 50 Meter sollen zurückgelegt werden, also zwei Bahnen in dem Freibad im Wiedtal, das aus diesem Anlass einen ganzen Tag lang für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Aber wer weniger schafft, sich unterwegs mal am Beckenrand festhalten muss oder eine Schwimmhilfe benötigt, soll diese Disziplin genauso absolvieren dürfen.

Wie begeistert die jungen Sportler ins Wasser hüpfen! Vom ersten Zug an herrscht eine unglaublich fröhliche, leichte Stimmung am und im Becken, wiewohl hier zum Teil Menschen Meter um Meter im Wasser zurücklegen, in deren Alltag aus Sicht Nichtbehinderter manches eher schwer sein muss.

Toll! Auch mit einem reduzierten Sehvermögen geht diese Aktive auf die Strecke – und zeigt, was trotz einer solchen Einschränkung in ihr steckt!

Gekommen sind Schüler der Wilhelm-Albrecht-Schule aus Höhn, in der die ganzheitliche und motorische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung im Vordergrund steht. Ebenso macht die Grundschule Kroppacher Schweiz mit, die in Kroppach ihren Sitz hat. Schüler, die sonderpädagogische Förderung im Bereich der körperlichen sowie motorischen Entwicklung benötigen und die Christiane-Herzog-Schule in Neuwied-Engers und Bendorf-Sayn besuchen, stehen gleichermaßen in Hausen am Start. Ebenso Sportler aus der Werkstatt für behinderte Menschen in Neuwied-Engers. Aktive der zum „Heinrich-Haus“ gehörenden „mittelrhein Logistik“ und der Werkstatt St. Katharinen sind zudem dabei. Auch ist die dortige Grundschule im „Wiedtalbad“ vertreten – mit über 30 Kindern!

Die Räder stehen nach dem Laufen bereit. Wer kein eigenes Rad hat, steigt aufs Leihfahrrad.

Aus Asbach sind Schüler der Albert-Schweitzer-Schule angereist. Sie seien gekommen, „weil wir das eine super Aktion finden“, schildert Dirk Schneider-Wüst, Lehrer in Asbach. Die Einrichtung ist eine „Förderschule Lernen“ und mit zwölf Aktiven zwischen 13 und 15 Jahren am Triathlon beteiligt.

Zeit spielt keine Rolle – es geht nur um Spaß und darum, dass sich alle im Ziel Triathleten nennen können.

„Wir wollten das Event auf jeden Fall unterstützen, auch wenn dazu ein gewisser organisatorischer Aufwand nötig ist: beispielsweise, wie die Fahrräder der Kinder hier her kommen“, sagt Schneider-Wüst, der vor allem im Englisch- und Werkunterricht tätig ist. „Bewegung ist ein Thema in der heutigen Medien- und Handyzeit. Und wenn man die Kinder zur Bewegung animieren kann, dann nehmen wir jede Gelegenheit wahr – unabhängig von der körperlichen Leistungsfähigkeit.“ Die abwechslungsreiche Strecke halte er für attraktiv für die Schüler, ergänzt der Pädagoge.

Der größte Unterschied zu einem „normalen“ Triathlon? „Heute ist es komplett entschleunigt!“, beschreibt Lucas Benten. „Wir von der ‚MANNschaft‘ unterstützen die, die die Radstrecke nicht alleine fahren können. Man merkt an jeder Stelle, dass der Fokus nicht auf Zeit liegt, sondern auf Spaß. In ‚normalen‘ Wettkämpfen, an denen wir sonst teilnehmen, ist alles total ehrgeizig. Verbissen versuchen alle, in der kürzesten Zeit ins Ziel zu kommen. Heute geht es darum, sich zu freuen und einfach irgendwie die Distanz zu überwinden.“

Mit dem Rad geht es einen Kilometer weit weg bis kurz vor Niederbreitbach und zurück nach Hausen.

Die beträgt 50 Meter beim Schwimmen, zweimal 500 Meter auf der Laufstrecke und zwei Kilometer per Fahrrad. Oder eben mit dem Rollstuhl, E-Scooter oder Dreirad. Auf dem hat gerade Christian Geimer Platz genommen, um mit einem jungen Mann auf die Distanz zu gehen, der aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, mit einem „normalen“ Fahrrad das Gleichgewicht zu halten und einfach alleine loszustrampeln.

Geimer ist ein sehr erfolgreicher Triathlet, hat das „MANNschaft“-Trikot bereits bis zur Weltmeisterschaft der Triathleten auf der Langdistanz getragen. Er arbeitet im Möbelhaus Hüsch, das Hauptsponsor der Veranstaltung ist (auch der Rotary Club Remagen-Sinzig sowie die Raiffeisenbank Neustadt und die Sparkasse Neuwied haben sich eingebracht), so dass die Teilnahme für alle komplett kostenlos und am Ende auch für Medaillen und T-Shirts für alle „Finisher“ gesorgt ist.

Einen Kilometer von der Wechselzone Laufen-Radfahren entfernt liegt kurz vor Niederbreitbach der Wendepunkt. Bis dahin muss Christian Geimer seinen Passagier befördern – und natürlich wieder zurück. Darum sind die Triathleten der „MANNschaft“, wiewohl sie sportliche Anstrengung doch gewohnt sind, am Ende durchaus erschöpft: Sie treten zumeist für zwei in die Pedalen und müssen nicht nur das eigene, sondern ebenso das Gewicht des schweren Untersatzes und des Triathleten auf dem Sitz neben sich vorantreiben.

Aber „auf jeden Fall“ wäre er erneut dabei, wenn abermals eine solche Veranstaltung stattfinden würde, betont Lucas Benten sofort. Er hat sich, wie die anderen „MANNschaftler“, freiwillig gemeldet, um denen zu helfen, die dieser Hilfe bedürfen. Dafür hat er sogar einen Tag Urlaub im Betrieb genommen.

Hat sich freigenommen und wäre jederzeit erneut dabei: Lucas Benten, sonst selbst Triathlet der „MANNschaft“, ist einer von vier freiwilligen Helfern des Vereins.

„Ich finde, es ist eine gute Sache hier. Das Integrative, das Zusammenführen von Kindern aus ‚normalen‘ Grundschulen mit Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen gefällt mir super“, unterstreicht Benten. „Ich freue mich sowieso über jeden, der irgendwie Sport macht – egal, was er macht! Ich freue mich darüber, wenn sich jemand bewegt – selbst wenn er nur spazieren geht. Und wenn man heute nur in zwei Teilnehmern die Begeisterung geweckt hat, nicht nur ins Wasser zu gehen, um sich abzukühlen, sondern auch mal zur anderen Seite zu schwimmen, das Gefühl, anzukommen zu erleben, ist das doch eine super Sache, oder?“

Einige bewältigen den Triathlon als Staffel: eine Teilnehmerin schwimmt, eine läuft, eine radelt. So macht es die Christiane-Herzog-Schule, erklärt Maria Marquardt: „Wir wurden zur Veranstaltung eingeladen – und haben schnell ‚ja‘ gesagt. Bei uns wird Sport eh sehr unterstützt, und wir sind vor allem wegen der Freude gekommen, die wir allesamt daran haben“, so die Erzieherin der Schule, die insgesamt drei Standorte in Engers und Sayn hat. „Ankommen war das Ziel für alle von uns.“

Marquardt erzählt, dass einmal pro Woche eine Stufe der Christiane-Herzog-Schule ins „Wiedtalbad“ fahre, nachdem das eigene vor vier Jahren geschlossen worden sei (siehe auch „Eine wertvolle Erfahrung: alle können etwas“). Der Veranstaltungsort des Triathlons ist diesen Schülern also vertraut.

Johanna, Lucy, Selina und Lennox (von links) von der Christiane-Herzog-Schule zeigen zu Recht stolz ihre Medaillen.

Lucy hat dort inzwischen die Ziellinien passiert, zeigt stolz ihre Urkunde und ihre Medaille. „Neee“, antwortet sie auf die Frage, ob der Triathlon für sie sehr anstrengend gewesen sei. Was ihr am besten gefallen habe? „Schwimmen!“, entfährt es der jungen Sportlerin sofort. „Ja, ich mag gerne Schwimmen“, fügt sie an. Obwohl, das gesteht sie lachend, ein bisschen kalt sei das Wasser schon gewesen… „Aber ich habe mich getraut“, strahlt Lucy über das ganze Gesicht. Das sei ein wunderbares Gefühl.

Uwe Schmalenbach

Eine wertvolle Erfahrung: alle können etwas

Rund 400 Schüler zum Beispiel aus Diez, von Ahrweiler bis Altenkirchen besuchen die Christiane-Herzog-Schule. Sie nimmt am „1. integrativen Triathlon“ in Hausen (siehe „Ein wunderbares Gefühl: Lucy hat sich getraut") mit zwölf Schülern teil, die vier Staffeln bilden, so dass jedes Kind nur eine der drei Disziplinen des Sport-Events bewältigen muss. Michael Dauer ist Sportlehrer an der Schule, feuert die zwölf an Becken- und Streckenrand an und schildert im Interview mit Uwe Schmalenbach, warum die Teilnahme eine wertvolle Erfahrung ist.

Michael Dauer erzählt, dass schon die Fahrt zum „Wiedtalbad“ für viele ein Highlight gewesen sei. „Dann noch die tollen Medaillen, die T-Shirts – super!“

Sport ist bei Ihnen im Schulalltag ein ganz wichtiges Thema?

Ja, wir sind eine Förderschule mit dem Schwerpunkt motorische Entwicklung – dann steht natürlich der Sport im Vordergrund.

Unsere mehrheitlich vorherrschende Vorstellung von Sport hat allerdings sehr viel mit einem zuweilen verbissenen Leistungsgedanken zu tun. Sport ist außerdem in allen Bereichen, selbst bei „Amateuren“, sehr kommerzialisiert – siehe Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Wenn man in Ihrem Bereich arbeitet, liegt das Augenmerk vermutlich auf anderen Aspekten, oder?

Ja, es gibt unterschiedliche Beeinträchtigungen. Das bedeutet, der eine kann mit dem Rad fahren, wenn er keine Gleichgewichtsprobleme hat. Ein anderer kann das eben nicht oder nicht eine weite Strecke laufen. Aber alle können etwas – und vor allem können eigentlich fast alle schwimmen lernen. Das Element Wasser ist ganz toll, und im Wasser sind wir alle gleich – die Rollstuhlfahrer kommen beim Schwimmen raus aus ihrem Rollstuhl.

Sie sind an der Schule federführend fürs Schwimmen zuständig. Aber beim Unterricht gibt es ein Problem, oder?

Wir haben seit vier Jahren kein schuleigenes Schwimmbad mehr. Es war kurz vor der Pandemie kaputt, und jetzt warten wir auf eine Antwort auf die Frage, wo Gelder herkommen können, um wieder eines aufbauen zu können. Denn es ist ganz wichtig für unsere Kinder, schwimmen zu lernen und mit dem Element Wasser umzugehen.

Was ist das Wesentliche dabei?

Das vermittelt natürlich ein ganz anderes Körpergefühl. Ich komme in eine andere Lage hinein, habe eine andere Körperwahrnehmung, es geht gegen den Wasserwiderstand. Und es steckt so viel Gesundheit im Schwimmsport.

Egal, wer wie viel laufen, schwimmen oder fahren kann: Jeder kann etwas – und bekommt am Ende die Medaille.

Demnach ist der integrative Triathlon hier in Hausen eine gute Sache, da das Schwimmen eine der Disziplinen ist?

Ja, definitiv, definitiv! Wir hatten zwar eine kurze Vorbereitungsphase, haben erst vor den Pfingstferien Bescheid bekommen. Da mussten wir natürlich erst einmal gucken, wen aus der Schülerschaft wir mitnehmen können. Aber das hat gut gepasst – wir haben den Triathlon einfach als Staffel organisiert, so dass einer schwimmt, ein anderer fährt, einer läuft. Wenn es nächstes Jahr eine Neuauflage gibt, werden unsere Vorbereitungen noch etwas anders sein und wir hoffen, ebenso schwerst mehrfach beeinträchtigte Kinder mitbringen zu können, die dann vielleicht in Begleitung schwimmen oder die Strecke geschoben werden, die gefahren werden muss.

Also eine Weiterentwicklung der Unterstützung, wie es sie heute schon durch die „MANNschaft“ mit dem Dreirad gab?

Genau, das geht in die Richtung.

Ganz offen und ehrlich gegen Rechts und Braun

Allzu oft sieht man Markus Mann beileibe nicht mit umgeschlagenen Hosenbeinen umherlaufen. Dass er heute jedoch mit hochgekrempelten Jeans im „Europahaus“ in Bad Marienberg steht, ist den Socken geschuldet, die er trägt: sie haben die Optik der EU-Fahne und sollen deutlich zu erkennen sein – ein Signal pro Europa, für Vielfalt. Und im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament ein Bekenntnis zur Demokratie. Genau ein solches wollen auch die anderen Westerwälder abgeben, die ebenso in das „Europahaus“ gekommen sind. Und zwar mit einem im wahrsten Wortsinn bunten Zeichen.

Zwischendurch bildet sich an dem Stehtisch im Foyer des „Europahauses“ eine richtige Schlange. Auf dem Tisch stehen zwei Dutzend Farbflaschen, und etliche Menschen der Region wollen mit den Farben ihre Hand einpinseln, um anschließend einen Handabdruck nebst Unterschrift auf der großen Leinwand zu hinterlassen. „MANN Naturenergie“ hat die Aktion im Rahmen des „Demokratiesommers 2024“ organisiert und dazu eingeladen.

Mit dieser Initiative wollen sich die Verbandsgemeinde und die Stadt Bad Marienberg gegen die zunehmende Demokratiefeindlichkeit stellen. Die Ideen, die unterschiedliche Akteure in diesem Rahmen umsetzen, reichen von einem „kulinarischen Familiennachmittag“ der „Kita Clowngesicht“ bis zum vom Institut für Kino und Filmkultur unterstützten, medienpädagogischen Angebot „Die Lügen der Nazis“ im Evangelischen Gymnasium der Stadt.

Da dürfen es auch mal Socken im EU-Design sein…

Markus Mann war in seiner Funktion als Vorsitzender des Industrieausschusses der Industrie- und Handelskammer Koblenz vor kurzem Teilnehmer einer Delegationsreise nach Brüssel und dort Diskussionsgast bei EU-Institutionen und der rheinland-pfälzischen Landesvertretung. „Die Bedeutung der Demokratie wurde den teilnehmenden Unternehmensvertretern dabei abermals extrem bewusst“, erzählt Mann von seinen Eindrücken in Brüssel. „Nach wie vor ist die EU ein großes Friedensprojekt, und wir blicken auf fast 80 Jahre Frieden in Zentraleuropa zurück. Wir alle haben ein Privileg, in solch glücklichen Zeiten arbeiten und wirken zu dürfen. Damit Europa als demokratisches und wirtschaftlich erfolgreiches Friedensprojekt weiterwirken kann, braucht es die Mithilfe der Bürger Europas“, betont Mann. „Wir dürfen nicht als schweigende und untätige Mehrheit eine Minderheit gewähren lassen, die am Projekt Europa wenig Gutes lässt und an den demokratischen Grundsätzen rüttelt.“

So entstand in dem Langenbacher Unternehmer der Gedanke, Vertreter der Politik und Wirtschaft in der Verbandsgemeinde Bad Marienberg einzuladen und gemeinsam mit ihnen im „Europahaus“ auf die am kommenden Wochenende bevorstehende Europawahl hinzuweisen. Und herauszustellen, dass dabei durch die Wahlentscheidung demokratische Kräfte gestärkt werden müssen, deren große Bedeutung für Frieden und Zusammenarbeit nicht übersehen werden darf.

Da das Logo des „Demokratiesommers 2024“ eine bunte Hand zeigt, war es naheliegend, die Westerwälder Unterstützer ebenfalls mit bunten Händen auf einem großen Banner sichtbar zu machen.

„Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir zeigen, dass wir hier gemeinsam für Demokratie und Vielfalt einstehen und die Initiatoren, die die Idee gehabt haben zum ‚Demokratiesommer‘ hier in Bad Marienberg, so kurz vor der Europawahl tatkräftig unterstützen“, erläutert Andreas Görg, Vorstand der Sparkasse Westerwald-Sieg, warum er dem Aufruf gefolgt ist.

„Wir sind Biobauern – und wir sind für ‚bunt‘ und Vielfalt und sind gegen Rechts und gegen ‚Braun‘!“, betonen Andreas und Annette Aller. Fotos: Bakic

„Ich bin ganz gerne gekommen, nachdem die Familie Mann uns zur Initiative eingeladen hat. Wir kommen aus Hachenburg und würden hier gerne gemeinsam mit allen anderen ein deutliches Zeichen für die Demokratie setzen!“, schildert Marco Dörner, der Erste Beigeordnete der benachbarten Verbandgemeinde Hachenburg seine Beweggründe für die Teilnahme.

Für Sabine Willwacher ist der Einsatz für die Demokratie „ein wichtiges Thema. Gerade in der heutigen Zeit sollte man vieles dafür tun, dass uns die Demokratie hier in Deutschland und weltweit erhalten bleibt. Und ebenso Toleranz und Vielfalt!“, so die Stadtbürgermeisterin von Bad Marienberg. „Denn in dieser Welt leben wir, und das Leben ist auf der ganzen Welt so vielfältig und bunt, deswegen bin ich heute hier, und deswegen finden auch die vielen anderen Veranstaltungen im Zeichen des ‚Demokratiesommers 2024‘ statt. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass nicht die anderen in der Mehrheit sind, sondern wir mehr sind! Und ebenso, dass unser Weg, die Demokratie, der bessere Weg und sie darum eine wichtige Sache für alle Menschen auf der Welt ist.“

Auch Marco Dörner, Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Hachenburg, unterschreibt neben seinem Handabdruck.

„Das Europahaus Marienberg begrüßt und unterstützt diese Aktion im Rahmen des ‚Demokratiesommers‘. Die Bildungsstätte ist seit 1951 Innovationsstandort, Ideenschmiede und Ausbildungszentrum für eine mündige und kreative europäische Bürgerschaft. Hier entstehen Begegnungsräume für die Vision von Europa – die Vision von einem Miteinander, von Kollaboration, von Respekt und Toleranz, von Vielfalt und Wohlwollen“, erklärt Nicole Stecker. Sie ist Studienleiterin des „Europahauses“.

Bad Marienbergs Stadtbürgermeisterin Sabine Willwacher findet, dass man in der heutigen Zeit vieles tun sollte, damit die Demokratie erhalten werden kann.

Sparkassen-Vorstand Andreas Görg (links) und Markus Mann freuen sich, dass in Bad Marienberg so viele ein Zeichen für die Demokratie setzen wollen.

Dort sind auch Andreas und Annette Aller gerade dabei, sich die Handflächen mit Farbe einzustreichen. „Wir sind Biobauern – und wir sind für ‚bunt‘ und Vielfalt und sind gegen Rechts und gegen ‚Braun‘! Ganz offen und ehrlich gesagt. Demokratie zu schützen ist ganz wichtig in der jetzigen Zeit. Und es ist nicht selbstverständlich, Demokratie zu haben, deswegen kann man solche Aktionen nur mit voller Kraft unterstützen!“ Darum, so fügen die Landwirte vom „Wiesenhof“ in Maxsain an, haben sie Freude an solchen Events, bei denen man selbst Farbe bekennen kann. Was mit den bunten Handabdrücken heute sogar wörtlich passiert.

„Impulse, die die eigenen Gedanken erweitern“

Es ist keine Seltenheit – im Gegenteil, es kommen häufiger Besuchergruppen nach Langenbach bei Kirburg. Ob Landfrauen, Vereine, Unternehmer: Bereitwillig gibt Markus Mann ihnen allen Auskunft über das, was er seit Anfang der 1990er-Jahre getan hat, um die Energiewende voranzubringen. Und spricht darüber, wieso die Demokratisierung und Dezentralisierung für ihn der einzig gangbare Weg in die Zukunft unserer Energieversorgung ist. Die 62 Gäste von den Stadtwerken Bonn (SWB), die sich heute angemeldet haben, sind dennoch eine besondere Gruppe.

Interessierte Zuhörer: die Besucher aus Bonn. Fotos: Schmalenbach

„Mehr als spannend! Wirklich beeindruckend, was Herr Mann da aufgebaut hat über die vielen Jahre! Und zwar ökologisch angetrieben, aber zugleich ökonomisch erfolgreich.“ So wird später beim gemeinsamen Mittagessen Philipps anerkennendes Resümee über das in Langenbach Gehörte und Gesehene lauten. Er ist wie alle heutigen Besucher bei der „Energie- und Wasserversorgung Bonn/Rhein-Sieg GmbH“ beschäftigt, in der Region bekannt als „SWB Energie und Wasser“. Bei diesem Konzernteil der „Stadtwerke Bonn GmbH“ arbeitet Philipp in der Stabsstelle „Energielösungen“.

MANN und eben diese SWB verbindet eine inzwischen mehr als 25-jährige Partnerschaft. Die Stadtwerke waren, neben der in Hachenburg ansässigen „Westerwald-Brauerei“, die ersten, die bereits 1998, direkt nach der Liberalisierung des Strommarktes, den Bezug von Ökostrom von MANN vereinbarten (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) und damit zu einem Wegbegleiter wurden.

Seither läuft die erfolgreiche Kooperation, der Ökostrom aus dem Westerwald wird in der Großstadt am Rhein als „BonnNatur Strom“ angeboten. Dieser trägt ebenso das „Grüner Strom Label“ (GSL) wie „MANN Cent“. Das Siegel bestätigt, dass ein Teil des Entgelts direkt wieder in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird.

Größter Kunde beim SWB-Ökostrom ist die Stadt Bonn mit 77 Millionen Kilowattstunden (kWh), die jährlich abgenommen werden. Damit fahren Straßenbahnen in der Bundesstadt, regeln Ampelanlagen den Verkehr oder werden Straßen und Plätze beleuchtet. Daneben wählen viele ortsansässige Firmen „BonnNatur Strom“ und natürlich ebenso Privathaushalte.

„Alle sind so beeindruckt“, sagt Robert Landen.

Bei den „SWB Energie und Wasser“, die sie alle versorgen, findet vierteljährlich ein „Vertriebsdialog“ statt. Dieser sei ursprünglich ins Leben gerufen worden nach einer Umfrage unter Mitarbeitern, die darin zu Protokoll gaben, sich über (interne) Entwicklungen nicht ausreichend informiert zu fühlen, erzählt Robert Landen. Der Vertriebsleiter von „SWB Energie und Wasser“ beschreibt, dass man anschließend überlegt habe, wie man Informationen besser weitertragen könnte. „Wir sind ja auch in einem Wachstumsprozess, und viele bekommen nicht mit, was die anderen im Konzern tun. Also haben wir gesagt, wir müssen ein Format finden, mit dem wir besser informieren können – und zwar nicht auf Vortragsbasis, sondern in einer Art ‚Workcafé‘.“ So sei der „Vertriebsdialog“ entstanden. Landen: „Das ist eine freiwillige Veranstaltung – mit 97 Prozent Teilnahmequote! Die Leute richten ihren Urlaub danach aus, sind total happy damit!“

Irgendwann sei zusätzlich die Idee aufgekommen, einen der vier Termine eines Jahres „on tour“ zu machen, ergänzt der Vertriebsleiter. Nach „Corona“ ging der erste entsprechende Ausflug zur „Trianel“, einer Kooperation von Stadtwerken mit Sitz in Aachen, die nach eigener Darstellung über sechs Millionen Menschen in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz versorgt und bei der die SWB Teilhaber sind. „Das war total super“, blickt Landen zurück, „das hat allen gut gefallen, und es kam der Wunsch auf, so etwas erneut zu organisieren.“

2023 im Mai fuhren die Bonner daraufhin zu den „Netzwerkpartnern“. Hinter diesem eingetragenen Verein stehen über 135 Stadtwerke, regionale und überregionale Energieversorger aus ganz Deutschland, „die sich ohne Gewinnerzielungsabsicht organisiert haben, um den Herausforderungen der Energiewirtschaft gemeinsam zu begegnen“, wie es auf deren Homepage heißt.

Und in diesem Jahr beim dritten „Vertriebsdialog on tour“ also die Exkursion zu „MANN Naturenergie“. „Da müssen wir unbedingt hin“, habe man gedacht, so Robert Landen. „Und nun sind wir hier – und alle sind so beeindruckt! Die Kollegen haben teilweise gesagt, dass sie sogar aufs Mittagessen verzichtet hätten, um Markus Mann weiter zuhören zu können. Wahnsinn!“

Daniel Rahn (rechts), Projektingenieur bei MANN, führt eine Gruppe durch die SEO-Sägeanlage.

Bei dem gemeinsamen Betriebsrundgang zur Rundholzsortieranlage der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP), zu deren Pelletpressen, zum Strom-Großspeicher oder den ungewöhnlicherweise vertikal an den Silos der WWP angebrachten Photovoltaikmodulen beschreibt der Energiepionier, wie er 1991 die allererste Windkraftanlage von Rheinland-Pfalz aufstellte, 1995 das Biomasse-Heizkraftwerk startete, das noch heute Energie aus Biomasse produziert. Er zeigt etliche Wallboxen, die im Gleichstrombereich sogar bis zu viermal je 300 Kilowatt (kW) bieten. Oder jene originelle, zu zwei Ladepunkten à 22 kW umgerüstete Original-Zapfsäule, an der einstmals noch Benzin in Langenbach getankt wurde. Solche Details faszinieren die Zuhörer.

Markus Mann führt aus, dass es inzwischen 47 vollelektrische Firmen-Pkw für die Mitarbeiter und sieben E-Lkw gebe. Er erklärt den Besuchern aus Bonn das selbstprogrammierte, aktive Lastmanagement, in welcher kaskadierten Reihenfolge es Verbraucher steuert oder dass „MANN Naturenergie“ und „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) am Firmensitz in Langenbach jährlich 9,5 Millionen kWh Strom verbrauchten – jedoch dort ebenso viel Strom aus Sonne, Biomasse und Wind erzeugt werde.

Sieben Kubikmeter Holzspäne werden für eine Tonne Westerwälder Holzpellets benötigt. In die Schaufel des Radladers passen elf – oder vier Mitarbeiter der SWB für ein Erinnerungsfoto vom Besuch bei MANN.

Die angereisten 62 Mitarbeiter der SWB sind dort im Vertrieb sowie dem Marketing tätig. So wie Sarah. Sie staunt, „wie vielfältig das Portfolio von ‚MANN Energie‘ tatsächlich ist. Der Einblick ist daher sehr, sehr spannend gewesen, weil mir nicht bewusst war, was ‚MANN Energie‘ alles macht.“

„Ich fand es ebenfalls sehr spannend hier. Ich habe auch viele Zahlen gehört, die ich noch nicht kannte. Und ich fand mega beeindruckend, was da auf dem, so nenne ich es jetzt mal, ‚Campus‘ in Langenbach alles umgesetzt wird, wie die einzelnen Teile und Projekte zusammenspielen“, pflichtet Peter aus dem „Vertrieb Energiedienstleistungen“ seiner Kollegin bei.

Am Ende des „Vertriebsdialogs on tour“ sind offenkundig alle angetan von dem Austausch zwischen den beiden Partnerunternehmen. „Ich bin selber in der Konzernstrategie/Konzernentwicklung bei uns. Und wir arbeiten immer wieder an Projekten, die völlig neu sind, mit denen es nur wenige Erfahrungen gibt“, schildert Amir. „Insofern hat es mich heute extrem begeistert, zu sehen, mit welchem Mut, mit welcher Vorstellungskraft und auch mit dem Wissen, dass man auch fallen und wieder aufstehen kann, hier so stark Ideen vorangebracht werden.“ Zudem habe es ihn fasziniert, dass das Bild, das man bei MANN für die Zukunft hat, in alle Themen schrittweise eingebracht, konsistent verfolgt werde „und dieser Geist auch in die Belegschaft vermittelt wird. Ich hätte Herrn Mann noch viel, viel länger zuhören können!“

Ihm sei spontan die Idee gekommen, fügt Amir abschließend noch an, in der Zukunft vielleicht einmal alle Führungskräfte der SWB nach Langenbach zu bringen. „Solche Impulse helfen, die eigenen Gedanken zu erweitern.“

Uwe Schmalenbach

Super! Blätter wie ein Herz

Alte Obstbäume und vielfältige Gemüsebeete, dichte Beerensträucher, bunte Blumen, knackige Kräuter, ein kleines Gewächshaus, ein Wildpflanzenbereich und eine Totholzhecke: Der Schulgarten der „Stöffelmaus-Schule“ ist herrlich abwechslungsreich und sensibilisiert die Kinder für einen sorgsamen Umgang mit der Natur. An Sommertagen findet der Unterricht gerne mal draußen statt unter dem Motto „Schule unterm Blätterdach“. Von diesem „grünen Klassenzimmer“ aus hat man seit kurzem einen tollen Blick auf die neue Friedenslinde.

Im kommenden Sommer spendet die Friedenslinde Schatten im Außenklassenzimmer.

Kevin Wagner vom zur MANN-Firmengruppe gehörenden Unternehmen „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und André Zöllner von der Daadener Baumschule Hebel sind schon vor dem Beginn des Baumpflanz-Events an der „Stöffelmaus-Schule“ auf deren Gelände in Stockum-Püschen aktiv: Sie bereiten die Stelle vor, an welcher der gut fünf Meter hohe Baum gleich in die Erde gebracht werden soll. Mit einem Minibagger müht sich Zöllner, er ist Gärtner der Fachrichtung Baumschule, eine ganze Weile, ehe er alle Gesteinsbrocken aus dem Loch gehoben hat, so dass die Friedenslinde mit ihrem großen und schweren Ballen einen sicheren Halt finden kann.

Bekanntlich gibt es Kaiser-, Hexen-, Freiheits- und eben Friedenslinden. Im Westerwald kennt man sogar einen kleinen Ort namens Linden, gelegen unweit des Dreifelder Weihers. Den Lindenbaum für die Grundschule in Stockum-Püschen hat „MANN Naturenergie“ gestiftet, nachdem sich die „Stöffelmaus-Schule“ beim vom Regionalprojekt „Kräuterwind“ ausgerichteten „Wäller Gartenpreis“ beworben hatte (siehe dazu auch „Ein Schattenspender und bunte Friedenstauben”).

Gar nicht so leicht, die Friedenslinde zu bewegen…

„Heute haben wir herrliches Frühlingswetter, es ist Frühlingsanfang, außerdem Welttag des Glücks – und heute wird unsere Friedenslinde gepflanzt“, erklärt Susanne Kersten den Kindern. Die Leiterin der Grundschule im Westerwaldkreis betont, dass dieser Schulmorgen darum ein ganz besonderer Tag sei – und verknüpft ihre Ansprache direkt mit etwas Unterricht: „Eine Linde erkennt man schon von Weitem. Denn: Wie sehen ihre Blätter aus? Lukas? Abigale?“ Es folgt die richtige Antwort, die Kersten „super“ findet: „Wie ein Herz.“

Die Kinder der „Stöffelmaus-Schule“ wissen zudem um den charakteristischen Duft der Linde, stehen am Rand ihres Schulgeländes doch fünf solcher Bäume. „Und wie gut unser Honig deswegen schmeckt“, ergänzt die Schulleiterin, dabei denkt sie an die kleine Schul-Imkerei. Danach erläutert Kersten die starke Anziehungskraft der Linde auf den Menschen, die auch mit deren großer Baumkrone zusammenhänge. „Linden wurden von Menschen immer zu besonderen Anlässen gepflanzt“, erfahren die Schüler, „sie sind lebende Denkmäler und sollen immer an ganz spezielle Menschen oder Situationen erinnern.“

Susanne Kersten erzählt, dass sie sich sehr gefreut habe, als die Nachricht von der neuen Friedenslinde sie erreichte, die die „Stöffelmaus-Schule“ aufgrund der Teilnahme am „Wäller Gartenpreis“ bekommen solle: „‚Au prima‘, dachte ich, die passt wunderbar in unser Schulkonzept mit den Bienen und ebenso als Bereicherung für unser Außenklassenzimmer, wo wir noch Schatten brauchen.“

Kevin Wagner (links) und André Zöllner sorgen dafür, dass die soeben gepflanzte Friedenslinde an der „Stöffelmaus-Schule“ in Stockum-Püschen etwas unterstützenden Halt bekommt. Der Baum passt laut Schulleiterin Susanne Kersten bestens ins Konzept der Grundschule – und ist ein lebendes Denkmal.

Die neue Friedenslinde lenkt die Gedanken natürlich zugleich auf die vielen Kriegshandlungen auf der Welt. Klassenlehrerin Katalin Eichmann sagt, dass die Kinder der „Stöffelmaus-Schule“ sich mit dem Thema durchaus beschäftigten – trotz der Tatsache, dass sie noch im Grundschulalter sind: „Alleine dadurch, dass wir auch ukrainische Kinder haben.“ „Im Be-reich der Religions-, der Ethikstunden wird so etwas zudem thematisiert. Und ich denke schon, dass die Kinder dem Thema auch über die Medien ausgesetzt sind“, fügt die Schulleiterin hinzu. „In jedem Fall“ gehöre es zum schulischen Alltag, dass man mit den Kindern derlei aufgreife. „Das ist ja ohnehin unsere tägliche Aufgabe, dass wir Inhalte der Erwachsenenwelt, auch fachliche Inhalte, auf Grundschulniveau herunterbrechen, ohne die Inhalte zu verfälschen – das sollte generell über unserer Arbeit stehen“, unterstreicht Kersten, „man muss lernen, sich mit den Dingen im altersgerechten Maße auseinanderzusetzen.“

Der Pflanz-Tag ist indessen von heiterer Stimmung geprägt, gesungen wird in Stockum-Püschen so wie tags zuvor auf dem Schulhof der „Integrierten Gesamtschule Selters“, der „MANN Naturenergie“ ebenfalls eine Friedenslinde geschenkt hat. Am Ende des Events ertönt gar lauter Jubel, als Susanne Kersten – um die große Bedeutung, den wichtigen Gedanken hinter der Friedenslinde noch einmal herauszustellen –, verkündet: „Aus Anlass des heutigen, denkwürdigen Tages gibt es heute keine Hausaufgaben!“

Ein Schattenspender und bunte Friedenstauben

„Ich wünsche den Kindern und Erwachsenen in der Ukraine, in Israel und am Gaza-Streifen Frieden“: So steht es auf einer der bunten Friedenstauben. Eine ganze Menge davon – rote, blaue, grüne, welche in Pink und Violett – haben Sechstklässler der IGS, der „Integrierten Gesamtschule Selters“ noch an diesem Morgen aus Tonkarton gebastelt. Jetzt hängen sie sie in die etwa zehn Jahre alte Linde, bevor diese gleich in ein vorbereitetes Loch auf dem Schulhof gepflanzt werden wird und die Krone nicht mehr ohne Weiteres erreichbar wäre.

Schüler und Lehrer freuen sich über die symbolträchtige Pflanze auf ihrem Schulhof.

Den Baum hat „MANN Naturenergie“ gestiftet (ebenso wie jenen für die „Stöffelmaus-Schule“). „Bewusst als Friedenslinde“, wie Geschäftsführer Markus Mann betont. Er hatte sich als Jurymitglied beim „Wäller Gartenpreis“ 2022 und 2023 engagiert und die Idee, den im letztjährigen Wettbewerb erfolgreichen Schulen solche symbolträchtigen Pflanzen zu schenken.

Gar nicht so leicht, die Friedenslinde zu bewegen…

Darunter eben die IGS: Zwei Jahre in Folge (2022 und 2023) bewarb sie sich mit ihrem Schulgartenprojekt beim von der Westerwälder Regionalinitiative „Kräuterwind“ ins Leben gerufenen „Wäller Gartenpreis“ – und das siegreich: Im ersten Jahr zeichnete die Jury das Projekt bereits einmal aus. 2023 war die Konkurrenz durch üppigste Zier- und vielfältigste Naturgärten so groß, dass das Gremium befand, dass man die Beiträge von Kindergärten und Schulen eigentlich aus dem Gesamtfeld herausnehmen und fairerweise getrennt bewerten müsse. Den Fleißigen hinter drei Beiträgen, die den Juroren am besten gefielen, sagte „MANN Naturenergie“ daraufhin zu, ihnen jeweils eine große Friedenslinde fürs Schulgelände zu schenken.

Es ist allerdings nicht der erste Baum, den die Schüler in Selters erhalten: 2022 durften sie sich, ebenfalls von „MANN Naturenergie“ gesponsert, einen Obstbaum für ihren Schulgarten aussuchen; es wurde ein Apfelbaum. Er steht heute in dem 700 Quadratmeter großen Areal in Selters. Die Fläche dafür wurde den Schülern im Rahmen des Neubaus der IGS zur Verfügung gestellt.

Viele Schüler helfen mit und treten den Baum gut fest.

2019 ging es in diesem IGS-Schulgarten los. Seither wird dort unter anderem Gemüse angebaut, es wachsen Wein, Erd- und Brombeeren, Kräuter und vieles mehr. „Aber bei uns wird nicht nur angebaut, sondern auch vermittelt, warum man das macht, wie man es macht,“ erläutert Lehrer Andreas Lief, der das Projekt betreut, den didaktischen Hintergrund. Inzwischen sei es so, dass regelmäßig Jahr für Jahr die fünften Klassen im Schulgarten aktiv sind und ebenso entsprechende Arbeitsgemeinschaften. Im Wahlpflichtfach Hauswirtschaft/Soziales sei Kochen ein Bestandteil, führt Lief aus. Die genaue Ausgestaltung des Unterrichtsinhaltes sei zwar lehrerabhängig, aber eine komplette Schulküche erlaube es, das selbstgeerntete Gemüse direkt zuzubereiten. „Teilweise wird das Gemüse auch direktvermarktet, an Lehrer oder Eltern verkauft, so dass nicht nur die Produktion im Vordergrund steht, sondern es ebenso darum geht, wie man das Gemüse verwertet“, fügt Lief hinzu.

„Die Menschen haben sich schon immer gekloppt und Kriege geführt – schon immer, leider! Und erst, wenn Frieden herrscht, erkennt man dessen Wert“, beschreibt Markus Mann während der Pflanzaktion den anwesenden Schülern, was er sich bei der Friedenslinde für den Schulhof gedacht hat. „So wurde anlässlich des Endes des Krieges 1870/71 – da haben wir Deutschen uns mit den Franzosen gekloppt – an vielen Orten Linden gepflanzt“, erklärt der Energiepionier aus Langenbach bei Kirburg. „Mich haben dann damals, als ich mit der Schule einen Ausflug gemacht habe nach Daun in der Eifel, riesige Bäume beeindruckt, die dort an der Jugendherberge neben einer alten Burg standen. Die stammten aus den besagten Jahren 1870/1871 und waren seinerzeit ebenfalls als Friedenslinden gepflanzt worden.“ Die Erinnerung daran sei für ihn immer imponierend gewesen, erstens aufgrund des Alters, das so ein Baum erreichen kann, „und ebenso wegen der Bedeutung hinter der Pflanzung“, ergänzt Mann. „Dass Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, tut richtig weh. Und deshalb wollen wir heute hier in Selters ein Zeichen setzen.“

Die Friedenstauben wurden noch am Morgen im Religionsunterricht gebastelt.

Die Schüler scheinen den Gedankengang nachvollziehen zu können. Ohnehin sind sie nicht unvorbereitet zur Pflanzaktion gekommen: „Wir hatten zwar eigentlich gerade ein ganz anderes Thema“, schildert Marius Colloseus, „aber haben die Idee hinter der Friedenslinde spontan in den Unterricht aufgenommen. Es gibt aktuell genug Regionen auf der Erde, wo eben kein Frieden herrscht. Wir wollten ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, dem Baum ‚Leben einhauchen‘ und die Friedenstauben einsetzen.“

Colloseus unterrichtet den katholischen Religionskurs der sechsten Klasse an der IGS. Seine Schüler, unterstreicht der Pädagoge, wüssten bestens Bescheid über das (unfriedliche) Weltgeschehen; die meisten Friedenswünsche der Kinder richteten sich an Israel, Gaza und die Ukraine – so, wie es auf den Tauben in der Baumkrone auch zum Ausdruck gebracht wird. Das aktuelle Geschehen bewege junge Menschen ebenfalls, bestätigt der Religions- und Englisch-Lehrer. Im Anschluss an die Pflanzung wolle er das Thema in der Klasse darum weiter vertiefen.

„Jaaaaa!“, nicken viele der Schüler, die bei der Baumpflanzaktion in erster Reihe dabei sind, mithelfen, die wuchtige Pflanze in das ausgehobene Loch zu bugsieren: einen Baum haben sie in ihrem Leben schon einmal gepflanzt – meist im elterlichen Garten. Manche der Kinder erzählen, dass sie Apfelbäume und andere Obstarten als Geschenk erhalten haben, oft zu einem Geburtstag. Alle finden es „cool“, dass nun ein wirklich schon recht großer neuer Baum den ansonsten eher grauen Schulhof mit frischem Grün ziert – und im Sommer sicher ein guter Schattenspender in mancher Pause sein wird.

„Es wäre schön, wenn ihr im heißen Sommer einen Blick auf euren Baum habt und der eine oder andere auch mal einen Eimer Wasser für ihn auskippt – denn gerade am Anfang hat der Baum es schwer, selbst Wasser auf so einer Fläche zu finden, wie sie hier auf dem Schulhof vorhanden ist“, gibt Markus Mann den Schülern mit auf den Weg und lässt den Blick über das graue Verbundsteinpflaster wandern.

Der Chef von „MANN Naturenergie“ ist merklich gerührt, dass die Schüler die Baumpflanzung so intensiv begleiten und mit ihrem eigenen Programm anreichern – von den gebastelten Tauben bis zu mehreren vorgetragenen Liedern, darunter das überaus passende „Friedensbaum-Lied“, geschrieben von Philipp Stegmüller: „Wir alle sind Kinder von einem großen Stamm/wie Blätter an einem alten Friedensbaum“, heißt es darin.

Der Religionskurs von Marius Colloseus hat außerdem einige Fürbitten vorbereitet, die die Kinder verlesen: „Ich wünsche mir, dass es keinen Krieg mehr gibt und keine Armut“, heißt eine davon. „Ich wünsche der Ukraine Frieden!“, eine andere. Oder: „Ich wünsche allen auf der ganzen Welt Frieden.“ Der Lindenbaum auf dem IGS-Schulhof wird die Schüler gewiss täglich daran erinnern, dass auch sie sich jeden Tag aktiv für den Frieden einsetzen können und sollten.

Uwe Schmalenbach

Holz bietet mehr Arbeitsplätze als Autobranche

Die GDL, die „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ ist vermutlich nahezu jedem ein Begriff. Die GDL hat zwar lediglich rund 40.000 Mitglieder, jedoch trotzdem eine große Bekanntheit – spätestens, seit sie mit ihren jüngsten Streikmaßnahmen abermals den Alltag Zehntausender Pendler beträchtlich erschwert hat. Die AGDW, die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V.“, repräsentiert zwei Millionen Mitglieder, denen etwa zwei Drittel aller Waldflächen in Deutschland gehören und ist dennoch nahezu unbekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass der „Cluster Holz“ in Deutschland eine enorme Wirtschaftskraft darstellt und mehr Arbeitsplätze bietet, als die Automobilindustrie.

Die Nutzung von Holz (hier auf dem Rundholzplatz der „Westerwälder Holzpellets“) ist europaweit ein enorm bedeutsamer Wirtschaftsfaktor, wie die Studie zeigt. Foto: Schmalenbach

Es ist eine wahrhaft ausführliche Betrachtung, die jedoch weitestgehend nur in Fachkreisen wahrgenommen wurde: Als in Wien im vergangenen Herbst die Studie „Forst- und Holzwirtschaft in Europa“ veröffentlicht wurde, berichteten darüber in Deutschland nicht die tagesaktuellen Mainstreammedien, sondern Fachpublikationen wie zum Beispiel das „Holz-Zentralblatt“, das aber gerade einmal 4.000 Abonnenten hat; ein sehr kleiner Kreis also.

Dabei betreffen die Daten der besagten Studie uns alle in vielfacher Hinsicht: Der Wald ist gut fürs Klima und ein Mittel gegen CO2, bietet Raum für Erholung und Entspannung, für Sport und Freizeit. Aber vor allen Dingen generiert die Forst- und Holzwirtschaft der Europäischen Union (EU) sowie Norwegens, der Schweiz und Großbritanniens 527 Milliarden Euro Wertschöpfung im Jahr, wie die Studie darlegt!

In der besagten Untersuchung, die formal den sperrigen Titel „Economic Impact of the Forestry and Wood Industry in Europe in terms of the Bioeconomy“ trägt, kommt überdeutlich zum Ausdruck, dass die Forst- und Holzwirtschaft eine erheblich größere wirtschaftliche Bedeutung hat, als gemeinhin angenommen wird. Es ist im Durchschnitt der 30 untersuchten europäischen Staaten jeder 16. Euro, der unmittelbar oder mittelbar aus diesem Wirtschaftszweig stammt.

Geht es im politischen Diskurs um den Zustand und die Transformation der heimischen Wirtschaft, werden in Deutschland dabei in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Branchen wie die Chemie und immer wieder der Automobilbau und deren Erfordernisse (Stichwort Industrie-Strompreis) in den Fokus genommen. Allerdings gibt es in der Automobilindustrie (im Jahresdurchschnitt 2021, laut Bundeswirtschaftsministerium) 786.109 Beschäftigte, die Forst- und Holzwirtschaft bietet hierzulande laut besagter Studie jedoch über 1,3 Millionen Arbeitsplätze. Der (Inlands-)Umsatz der Automobilindustrie betrug 2021 knapp 136 Milliarden Euro, der des Clusters Holz 2022 lag bei über 188 Milliarden Euro. Stolze sechs Prozent unserer nationalen Wirtschaftsleistung kamen aus dem Segment, wie „Forst- und Holzwirtschaft in Europa“ darlegt.

Was aber könnte bloß der Grund dafür sein, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Clusters Holz in der Bevölkerung und bei manchen Institutionen wie Teilen der Politik augenscheinlich nicht entsprechend im Bewusstsein ist und/oder wertgeschätzt wird? Und was müsste passieren, damit diese etwa bei den vermehrt aufkeimenden Diskussionen um die (Fort-) Nutzung des Wirtschaftswaldes Berücksichtigung fände?

Hierzu hätte die „Wäller Energiezeitung“ gerne die Meinung von Verbänden gehört, die die Forstwirtschaft vertreten und Lobbyarbeit „pro Waldnutzung“ machen sollen. Doch trotz mehrwöchiger Bemühungen gelang es der Redaktion nicht, dazu ein Statement von Organisationen wie beispielsweise der AGDW oder des gleichermaßen kontaktierten „Waldbesitzerverbandes für Rheinland-Pfalz e. V.“ zu bekommen.

Yonne-Ina Feldger

Eine fließende Lebensader der Natur

Am Ortsrand von Stein-Wingert, auf einer kleinen Anhöhe, liegt der Friedhof des 200-Seelen-Dorfes, und ein Wanderparkplatz gleich daneben. 30 Meter unterhalb, am Fuß der von dort steil abfallenden Böschung, strömt die Nister vorbei auf ihrem knapp 64 Kilometer langen Weg vom Berg „Fuchskaute“ in die Sieg. In dem für den Westerwald charakteristischen Fließgewässer steht an diesem Morgen Manfred Fetthauer, gemeinsam mit PD Dr. Carola Winkelmann, knietief in den Fluten – und angelt auf besondere Weise.

Ein wichtiges Motiv für die Gründung der „ARGE Nister“ sei der Wunsch gewesen, den Lachs wieder heimisch werden zu lassen im Westerwald, erzählt Manfred Fetthauer, hier mit PD Dr. Carola Winkelmann beim Elektroangeln. Fotos: Schmalenbach

Nein, der Kormoran und Manfred Fetthauer werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Dabei geht es dem Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nister“ nicht um Sympathie oder Antipathie. Vielmehr bemängelt er, dass eine größere Anzahl des schwarzen Vogels die Nister leerfische, dass solcherlei an vielen Orten in Deutschland passiere, der Kormoran zuweilen aber sogar im Rahmen von sogenannten „Naturschutzprojekten“ eigens angesiedelt werde. Der gebürtige Stein-Wingerter kritisiert kopfschüttelnd, dass man „Naturschutz in Deutschland oft nur bis zur Wasseroberfläche“ denke, wie er das formuliert.

Der Gründer der ARGE beschäftigt sich seit bald drei Jahrzehnten mit dem, was im Wasser und im Flussbett passiert, was da lebt oder nicht lebt und welchen Einfluss das aufs gesamte Ökosystem hat. Um darüber Erkenntnisse zu gewinnen, führt er zum Beispiel Maßnahmen wie das besagte Angeln mit PD Dr. Carola Winkelmann durch, die die „AG Fließgewässerökologie“ an der Universität Koblenz leitet: Mit einer Elektroangel treiben die beiden Wissbegierigen einige Minuten lang mithilfe eines Magnetfeldes alles an Fischen in einem Kescher zusammen, was einige Meter um sie herum bei Stein-Wingert in der Nister schwimmt.

„Das ist die Nase. Das ist der wichtigste Fisch hier. Dieser karpfenartige Fisch heißt Nase, weil er hier wirklich so eine kleine Stupsnase hat. Und das Wesentliche ist diese verhornte Unterlippe: Damit kratzt die Nase die Algen von den Steinen ab, wie ein Hobel“, erläutert Carola Winkelmann, während sie ein eingefangenes Exemplar in den Händen hält. Werde die Nase dezimiert, breiteten sich Algen ungehemmt aus – der Sauerstoffgehalt im Fluss sinke.

Die Ausbeute beim Elektroangeln ist an diesem Morgen überaus erfreulich, wie die Gewässerkundler am Ufer feststellen: Nicht allein, dass ein großer gelber Eimer nach wenigen Minuten fast voll geworden ist. Unter den ausschließlich zum Zwecke der Bestandskontrolle und Bestimmung vorübergehend eingefangenen Tiere ist sogar ein winzig kleiner Lachs! Ein riesiger Erfolg, denn die Lachs(wieder)ansiedlung in der Nister ist eines der ARGE-Projekte.

Gleichwohl weisen drei der größeren Fische im Eimer Verletzungen auf, die, da ist der Experte sicher, ihm der Kormoran auf einem Beutezug durch Krallen oder Schnabel beigebracht haben muss: „Die verletzten Stellen der Fische verpilzen, wenn es jetzt wieder wärmer wird, und bald darauf sterben sie“, legt Manfred Fetthauer die Stirn in Falten.

Gerade im Winter werden die Fischbestände in der Nister von ihren natürlichen Räubern „übernutzt“, wie die Wissenschaft das nennt. Denn in der kalten Jahreszeit drängen die Fische dichter aneinander und haben einen reduzierten Stoffwechsel – und sind somit eine besonders leichte Beute für Fischfresser. „Aber auch die Folgen des Klimawandels wirken sich negativ auf die Gewässerqualität aus. In Zukunft müssen beim Gewässerschutz also neben Verbau und Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Kläranlagen auch der erhöhte Fraßdruck auf Fische und die Klimawandelfolgen bedacht werden, um den ökologischen Zustand der Nister weiter zu verbessern. Nur so sind auch die engagierten Ziele der EU zu erreichen, Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen der Gewässer wie zum Beispiel die Selbstreinigungskraft zu erhalten“, betont Carola Winkelmann.

Während die Privatdozentin den Fang behutsam, Fisch für Fisch wieder in die Nister und damit unversehrt in die Freiheit entlässt, schildert Manfred Fetthauer, warum er sich über den eben betrachteten Lachs so freut: „Der Lachs war bis etwa 1900 ein Grundnahrungsmittel. Der letzte wurde hier an der Nister Heiligabend 1924 gefangen. Genau an derselben Stelle hatten wir 76 Jahre später wieder Lachs!“ Seit 20 Jahren betreiben Manfred Fetthauer und die „ARGE Nister“ seine Wiederansiedlung. Die jedoch sei mühsam und zäh – der Kormoran frisst eben auch gerne Lachs.

Die Renaturierung der Nister und der Aufbau einer ökologisch hochwertigen Artengemeinschaft sind das vorrangige Ziel der „ARGE Nister“. Auch ein intaktes Kiesbett ist dabei wichtig.

Alles in allem, daran lässt der in Stein-Wingert Lebende keinen Zweifel, stehe es um die Artenvielfalt in unseren Flüssen und Bächen ohnehin nicht zum Besten. Er verweist auf zahlreiche Studien, die die Situation, auch außerhalb des Westerwaldes, als dramatisch darstellen: So hat zum Beispiel erst im vergangenen Januar das Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) berichtet, dass die Forelle auf die Liste der in Deutschland gefährdeten Fische gesetzt worden ist – zum ersten Mal überhaupt. Insgesamt gelten dem Institut zufolge sogar schon mehr als die Hälfte aller einheimischen Arten als gefährdet – oder sind bereits ausgestorben!

Fragt man nach den Ursachen für diese beklagenswerte Entwicklung, verweist Fischexperte Dr. Christian Wolter vom IGB auf den Verlust von Lebensräumen durch Gewässerverbauung und -verschmutzung sowie die Folgen des Klimawandels. Ein ebenso negatives Bild gibt die „Rote Liste“ des Bundesamtes für Naturschutz wieder. Sie führt 38 Süßwasserfischarten in unserem Land als bestandsgefährdet auf – nach „nur“ 22 im Jahr 2009.

„Obwohl die Nister schon in den 1970er-Jahren ausgebaut und damit stark verändert wurde, begannen die richtigen Probleme hier erst in den späten 1990ern. Das Ökosystem drohte umzukippen, da Algenmassenentwicklungen die Lebensbedingungen für alle Gewässerbewohner dramatisch verschlechterten. Seitdem kämpfen wir für die Nister – in den letzten Jahren mit intensiver Unterstützung der Wissenschaft. Das hilft enorm, denn im Gewässerschutz hängt alles mit allem zusammen“, sagt Manfred Fetthauer.

Und er sagt ebenso, dass manchen Naturschützern beziehungsweise einigen Naturschutzorganisationen die Bedeutung der Fischarten und deren Vielfalt für das Ökosystem Fluss nicht bewusst sei. Oder dieser Zusammenhang mitunter sogar aus ideologischen Gründen bewusst ausgeblendet werde. „Dabei sind das Systeme, die sich über Jahrtausende aufgebaut haben. Das Ökosystem Fließgewässer ist eine Lebensader in der Natur.“ Diese helfe sogar, so Fetthauer weiter, Schadstoffe wie Nitrate aus der Landwirtschaft oder Medikamentenrückstände abzubauen. Eine intakte Sauerstoffversorgung im Wasser sei wichtig fürs Grundwasser und vieles mehr.

Das Bundesnaturschutzgesetz betont in seinem ersten Paragraphen unter der Ziffer 3 gleichermaßen: „Zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sind insbesondere (…) Meeres- und Binnengewässer vor Beeinträchtigungen zu bewahren und ihre natürliche Selbstreinigungsfähigkeit und Dynamik zu erhalten; dies gilt insbesondere für natürliche und naturnahe Gewässer einschließlich ihrer Ufer, Auen und sonstigen Rückhalteflächen (…)“

Die Forscher der Universität Koblenz vermochten ihrerseits nachzuweisen, dass gesunde Fischbestände, insbesondere die Arten Nase und Döbel, die Gewässerqualität maßgeblich verbessern können.

„Ich bin hier groß geworden. Aus meinem Schlafzimmerfenster in meinem Elternhaus konnte ich auf den Fluss gucken“, erzählt Manfred Fetthauer, am Ufer desselben stehend. „Jeden Tag, oder spätestens jeden zweiten Tag waren wir im Wasser.“

In diesem Bereich müssten, wenn sie ihre Winterquartiere verlassen und wieder in andere Abschnitte des Flusses schwimmen, in einer intakten Nister gut 20 Arten in ausreichender Zahl leben.

Mit vier oder fünf Jahren habe er gewusst: „Unter diesem Stein ist eine Forelle, unter jenem Stein ist eine Forelle. Ich ‚rieche‘ inzwischen den Zustand der Nister – man bekommt eine Verbindung, ein Empfinden dafür.“ Fetthauer berichtet von einem Spaziergang mit seiner Frau, vier oder fünf Jahre müsse der nun zurückliegen. Das Paar war an einem Samstag nahe der Abtei Marienstatt unterwegs, wo der Fluss sieben, acht Kilometer entfernt von Stein-Wingert vorbeifließt. „Ich sagte zu meiner Frau: ‚Ich rieche es, mit der Nister stimmt etwas nicht!‘“ Die Gattin habe geantwortet: „Ach, was du immer hast!“ Wieder daheim, holte der Gewässerforscher sein Messgerät, bestimmte anschließend den elektrischen Leitwert des Wassers, der, wie er ausführt, normalerweise um 250 liege, doch an jenem Samstag bei über 400… Er fuhr den Fuss ab und fand als Ursache ein übergelaufenes Überlaufbecken einer Kläranlage.

Einst war Manfred Fetthauer Servicetechniker bei der „Telekom“. Kurz vor dem Renteneintritt hatte er ein mit 1.800 Überstunden gefülltes Arbeitszeitkonto. Zwischen Rhein und Sieg war der Westerwälder in seinem Job viele Jahre unterwegs, „und wenn man irgendwo über eine Brücke fährt und sieht unten keine Fische mehr: Dann muss ich mich fragen, warum keine mehr da sind!“

Wenn man der Natur verbunden sei, müsse man daraufhin etwas tun, erklärt der ARGE-Vorsitzende, woher er, trotz mancher Rückschläge, in all den Jahren seine Motivation für die ehrenamtliche Arbeit beziehe. Die Verleihung des Gewässerentwicklungspreises sei da ein aktueller Antrieb, sich weiter für intakte Systeme in der Nister, einigen ihrer Nebenflüsse oder auch der Wied einzusetzen.

Uwe Schmalenbach